Zero Degree wurde 2004 von Matthias Erhard gegründet, welcher damals schon auf jahrelange Erfahrungen im Bereich experimenteller elektronischer Musik zurückgreifen konnte. So veröffentlichter er zuvor unter den Pseudonymen Nihil und Painslut Material im Bereich Industrial und Noise. 2007 trat Bernhard Korth dem Projekt bei und erweitert seitdem Erhard's Beatwork mit verträumten Ambient-Pads. 2010 erschien zunächst das ebenfalls von uns rezensierte Debüt-Album des Projekts Nullgrad, das von Erhard zusammen mit Sandro Salaris von Tonal Y Nagual gebildet wird. Nur ein paar Monate später lag mit "Probe" auch das dritte Album von Zero Degree in den CD-Regalen, welches die begonnenen Expeditionen in IDM-inspirierter Rhythmik und Synthesizer-Soundscpaes fortführt. Das Blade Runner-Zitat im Booklet schlägt eine Brücke zum vorangegangenen Album "The Inner Realm", auf dem mit dem Stück "Do Androids Dream Of Electric Sheep?" Philip K. Dick's Literaturvorlage zum Film referenziert wird. Auch Titel wie "One Million Miles Beyond the Sun" lassen keinen Zweifel an der thematischen Ausrichtung dieses Werks. In "Shield" startet die Reise in die Schwerelosigkeit mit seicht-warmen Pads und leicht verzerrten Percussions, die sich über Delay-Effekte innerhalb der ersten 5 Minuten zu einem mitreissenden Fluss verdichten. Die Synthie-Flächen beginnen langsam immer wieder von neuem und pausieren kurz, nachdem sie ebenso langsam ausgelaufen sind. Die einfach gehaltenen, im Verlauf nur leicht modifizierten Melodien bilden zusammen mit den repetitiven Beats und der stetig vor sich hin laufenden, akzentuierten Bassline einen stark immersiven Effekt. In etwas längeren Abständen taucht wiederholt ein etwas metallischer Schlag auf, durch dessen Nachhall das Ausmaß des imaginären Raums nochmal erweitert wird. Dieses Schema der langsam fliessenden Übergänge, hypnotischen Rhythmen und spacigen Flächen wird auch in den folgenden Tracks aufrechterhalten, wobei das Beatwork teilweise Ethno-Flair bekommt, z.B. durch den Bongo-/Tabla-Einsatz in "Marmor", oder stärker durch IDM/Glitch inspiriert ist, wie z.B. in "Phytron", einem der wahrscheinlich melancholischsten Stücke des Albums. Interessant ist auch der Einsatz verfremdeter Stimm-Samples, bei denen man zwar nicht versteht, was gesagt wird, die aber einen wirkungsvollen Beitrag zur Atmosphäre leisten, so werden bspw. in "Dark Slope Streaks" Assoziationen zu Astronauten-Übertragugnen geweckt. Das gesamte Arrangement bleibt dabei durchgehend sehr unaufdringlich (mit Ausnahme des penetranten Synth-Gequake in "Probe"), und solang man der Reise durch Zero Degree's Klangkosmos keine ungeteilte Aufmerksamkeit schenkt, wird die einlullende Wirkung vermutlich am Hörer vorbei gehen. Die permanente Repetition ist in diesem Zusammenhang zweischneidig, wenn man aussen vor bleibt, kann es anödend wirken, wenn man sich hineinziehen lässt, entfaltet es jedoch meditative Qualitäten. Das dieses Album direkt auf Festplatte aufgenommen wurde, spricht für die Professionalität der Beteiligten, und lässt erahnen, was einen Live erwartet. An der Produktionsqualität gibt es meiner Ansicht nach nichts auszusetzen, die Klänge sind deutlich, präzise und hörbar über das ganze Frequenzspektrum verteilt. Manchmal hätte ich auch gerne etwas deutlicheren Bass gehabt, was jedoch vermutlich nicht dem Minimalismus dieses Werks entsprochen hätte. Im Vergleich zu früherem Material ist der Anteil an Distortion anscheinend zurückgeschraubt worden und beschränkt sich nur noch auf manche Drum-Samples. Mit einer Lied-Dauer von mindestens 9 Minuten ein angenehmes Album zum Entspannen, ohne das es einschläfernd wirken würde. Zum Anspielen empfehle ich "Probe", "Phytron" und "Full Of Stars". Gute Reise!