Würde man auf einer Landkarte die neuralgischen Punkte der Schwarzen Szene markieren, müsste man vor allem das Ruhrgebiet und Ostdeutschland besonders intensiv einfärben. In Süddeutschland ist die Szene dagegen überschaubarer. Dennoch sind auch hier einige Projekte entstanden, die teilweise weltweites Ansehen genießen. Rudy Ratzinger aus dem niederbayerischen Gangkofen reüssierte als Wumpscut, Das Ich (Bayreuth) und Goethes Erben (Weilheim/Schongau) beeinflussten maßgeblich den deutschsprachigen Gothic-Sound, dem man irgendwann mal das generalblöde Label "Neue Deutsche Todeskunst" verpasste.

Und auch in der bayerischen Landeshauptstadt tat sich in den späten 1980ern ein gewisser Peter Schiffmann hervor, der zusammen mit Oliver Büttner das Projekt yelworC ins Leben rief. Wie unschwer zu erkennen, ist der Bandname ein Anagramm. Umgedreht heißt es "Crowley" und spielt natürlich auf den vielleicht bekanntesten Okkultisten des 20. Jahrhunderts, Aleister Crowley, an. Die ersten Demokassetten unterstrichen die fundamental düstere Ausrichtung des Duos.

1992 erschien ihr Debüt "Brainstorming", das zum Zeitpunkt seiner Veröffentlichung ratlose Gesichter zurückließ. EBM-Fans war der Sound viel zu schwermütig, Gothic-Anhänger konnten mit der elektronischen Grundausrichtung des Projekts nicht wirklich etwas anfangen. Mit der Auskopplung "Sacred City" gelangte yelworC jedoch in die Clubs und definierte den schwammigen Begriff Dark Electro neu. Der kompromisslose, harte Sound donnernder Beats und verzerrter Vocals, gepaart mit beklemmenden Melodien, sollte unter anderem Bands wie Hocico maßgeblich beeinflussen, die wiederum das Genre Hellectro, beziehungsweise Aggrotech, aus der Taufe heben und weltweit salonfähig machen sollten. Angefangen hat all das aber in München, dem Millionendorf "zwischen Laptop und Lederhose".

Das ist alles schon mehr als 30 Jahre her. YelworC, nach dem ersten Erfolg von Peter alleine weitergeführt (Oliver sollte kurze Zeit nach dem Ausstieg amGod ins Leben rufen), veröffentlichte in luftigen Abständen Songs; der Musiker weitete sein Handlungsfeld aus und erschuf noch im selben Jahr der "Brainstorming"-Veröffentlichung mit "Der Neophyt" ein Theater-Musik-Projekt. Erst in den 2000ern brachte er wieder neue Musik unter seinem Moniker yelworC heraus. "Trinity" von 2004 markierte bereits einen stilistischen Wandel, der auf "Icolation" (2007) und dem nun erschienenen "The Ghosts I Called" weiter vorangetrieben wird.

Vorbei die Zeiten tanzbarer Electro-Nummern: yelworC konzentriert sich mit seiner Musik auf klaustrophobische, teilweise orientalisch anmutende Soudscapes, die er mittels ruhiger, aber auch bedrohlicher Sequenzen zum Leben erweckt und mit knackigen, jedoch nie überpräsenten Rhythmen anreichert. Das jüngste Album folgt dabei der stetigen Reduzierung des Klangkörpers. Griff "Trinity" noch bisweilen auf yelworCs Frühphase zurück, dampfte "Icolation" den Sound schon erheblich ein. "The Ghosts I Called" lässt mittlerweile auch den verzerrten Gesang komplett hinter sich und experimentiert mit wenigen syntaktischen Versatzstücken.

Das  aktuelle Album markiert  die vollständig abgeschlossene musikalische Metamorphose und funktioniert als ganzheitliches, archaisches Gesamtkunstwerk, bei dem es unmöglich ist, einen Track besonders herauszuheben. Ob Fans das aktuelle Werk goutieren werden, steht aber auf einem anderen Blatt. Denn "The Ghosts I Called" ist aufgrund seiner Reduktion sicherlich die radikalste Veröffentlichung des Münchners und muss von der Anhängerschaft erst einmal erschlossen werden.