Es gibt so viele unterschiedliche Arten, an dieses Album heranzugehen und mit keiner bin ich so wirklich zufrieden. Scott Connor veröffentlicht ein weiteres Album unter dem Banner Xasthur und all diejenigen, die einfach nur harte Fakten benötigen: Es gibt hier absolut nichts zu hören, das Album ist künstlerisch gesehen reine Zeit- und Geldverschwendung. Jedoch möchte ich es dabei nicht belassen und versuche mich deswegen an einer Unterteilung in die unterschiedlichen Gedanken, die mir beim wiederholten Hören dieser Kakophonie des spontan vor sich Hinschrammelns in den Sinn kamen:

Xasthur als Projekt und Scott Conner als Black Metaller: Xasthur als Projekt kennen zumindest diejenigen, die den amerikanischen Black Metal der frühen 2000er verfolgten und vor allem die ersten beiden Alben brachten ihm einen Namen bei Fans der lebensverneinenden Spielart DSBM ein. Viel hat sich seitdem getan. Also im Außen, die Welt hat weitere 20 Jahre Menschheit überstanden. Bei Scott hingegen blieb vieles gleich, Xasthur zeigte wenig Entwicklung, wurde dann 2010 aufgelöst und Scott gab an, dass er dem Black Metal den Rücken zukehren werde. Und tatsächlich, zunächst unter anderem Namen und dann wieder unter der Flagge des Projektes, das ihm zumindest ein wenig berühmt gemacht hatte, gab es nun Acid Folk? Doom Grass? Stromlose Kunst eben und meine Rezension des 2021er ‚Victims of the times‘ machte deutlich, wie toll ich Xasthur in diesem Gewand finde. Nun mischt der Mann viele Genres, nennt selbst Doom, Ambient, Folk, Death Metal, Western, Gothic, Dungeon Synth und Black Metal. Geil oder? Nicht nur bekommen wir Xasthur’s Black Metal wieder zu hören, nein, auch noch ganz viele andere Versionen. Und alle klingen quasi gleich (mies). Da 100% des Albums nach einem spontanen und uninspirierten Garagen-Rehearsal klingt, spielt es eh keine Rolle, ob auch etwas Black Metal vorkommt. Es ist alles ganz großer Mist.

Der Drum Computer des Todes: Ich möchte es baldmöglichst loswerden. Ich liebe die Sisters of Mercy, Summoning sind meine Lieblingsband und ich höre haufenweise Dungeon Synth. Ich kann also gut mit Konservendrums leben, manches Mal sind sie sogar sinnhafter als echtes Schlagzeugspiel. Und was ich hier auf diesem Album erlebe, ist das mieseste, nervigste und qualvollste, was ich bisher erleben durfte, wenn es um Drum-Programmierung auf einem Album geht, dass offiziell durch ein Label veröffentlich wurde. Es klingt scheiße, monoton und an manchen Stellen so dermaßen gruselig programmiert, dass man das Gefühl hat, dass es dem Programmierenden gar nicht darum ging, Drums zu erstellen, man wollte schnelles Hintergrund-Tackern. Fürchterlich.

‚Inevitably Dark‘ als Album: Es ist eine Farce. Zwei CDs, eindreiviertel Stunden Töne verteilt auf 23 Titel. Die Presseinfo betont, dass Conner das Werk live und alleine einspielte, so als ob das eine fancy Idee ist, die die Essenz von Xasthur noch mehr zu Tage bringt. Nur leider klingt es so, als ob sich das „Mastermind“ nur 2 Stunden Zeit genommen hat, um ‚Inevitably Dark‘ zu schreiben (15 Minuten) und einzuspielen (live). Wer das Artbook kauft, dem ist kaum zu helfen, aber diese Person bekommt sogar eine weitere Scheibe mit 5 Stücken, die sicherlich auch nicht die Welt verändern werden. Scott hatte leider keine Zeit, um Texte zu schreiben, weswegen alles rein instrumental ver- und auskommt. Dankbarerweise wechseln die vielen Genres mit jedem Titel, sodass man zumindest erkennt, wenn mal ein Stück vorbei ist. Aber am Schönsten ist es, wenn alles vorbei ist.

Die Musik, die man nur knapp als solche bezeichnen kann: Kaum einer, der auf seiner Klampfe vor sich hin schrammelt und testet, welche Akkorde nicht wirklich zusammenpassen, käme auf die Idee, das mit Keyboards und monotonen Fertig-Drums zu unterlegen und auf Album zu pressen. Und wenn man sich fragt, warum das eigentlich niemand macht, dann darf man sich zur Antwort gerne durch ‚Inevitably Dark‘ kämpfen. ‚Victims oft he tims‘ hatte zumindest durch seine Texte und einen kohärenten Genrefluss etwas mehr Album-Feeling. Auf ‚Inevitably Dark‘ war ich mir oft nicht sicher, ob ich nicht aus Versehen ein liebloses Rehearsal Tape anhören muss.

Scott Conner als Mensch und Musiker: Und hier kommt der düstere Teil. Conner benannte in der Vergangenheit, dass er nicht nur die Finsternis fühlt und vertont, nein, auch er selbst hat in der Vergangenheit und in der Gegenwart gravierende Probleme. Er benennt Wohnungslosigkeit, Drogenkonsum, psychische Erkrankungen, kurz, es ging und geht ihm oft nicht gut. Und Berichte von Live-Auftritten benennen (außerhalb der musikalischen Qualitäten) oft einen introvertierten, aber sympathischen Mann, der viel Kraft zieht aus dem Kontakt zu Fans. Ich kann mir vorstellen, dass die Entwicklung von Xasthur in einem Zusammenhang zu sehen ist mit Conners jeweils aktueller Situation und insoweit wirkte die Black Metal Phase noch recht stabil, die letzten Jahre zeugen aber von erhöhter Verunsicherung und ‚Inevitably Dark‘ könnte als Zeugnis eines Mannes dienen, der zwar noch Momente der Erinnerung an alte Taten hat, diese aber nur noch minimal aufleben lassen kann, da ihn die Geister zu sehr plagen. In einem Interview gibt Scott an, dass er ‚Inevitably Dark‘ empfehlen würde, um Unkundigen das Projekt vorzustellen und ich möchte mutmaßen, er meint das wirklich so, weil es in seinem Denken Sinn ergibt. Vielleicht ist das was ich auf dem Album als spontanes Herummusiziere identifiziere in seinem Geist schlüssig und durchdacht, aber.... aber...

Die Veröffentlichung und ein Fazit: ‚Inevitably Dark‘ ist musikalisch das Schlechteste, was ich in Jahren gehört habe, wenn es um offizielle Veröffentlichungen geht. Ich hoffe, Prophecy Productions sehen in der Zusammenarbeit mit Xasthur eher ein Sozialprojekt, um einen geplagten Geist zu unterstützen. Ich hoffe, niemand (außer Conner) meint das hier ernst. Positiv kann ich eigentlich nur vom Artwork sprechen und ich möchte ganz klar Künstler von Kunstwerk trennen: Scott Conner wünsche ich alles Gute und er darf gerne weiterhin 50 Lieder im Jahr schreiben und umsetzen (wie er selbst sagt). Nur muss man das dann unter die Leute bringen? Wozu? Wem wird dies hier gerecht? Dem Hörer, der Geld dafür zahlt? Dem Musiker, der darin eine Bestätigung für seine vernebelte Ansicht sehen kann, dass Xasthur so stark wie nie sind? Oder dem Label, dass neben hochklassigen Releases diesen Witz im Katalog präsentiert, bei dem man sich nur am Kopf kratzen kann. Ich weiß es nicht, will aber auch nicht weiter fragen.


Xasthur - Inevitably Dark

23.06.2023 / Prophecy Productions


https://www.instagram.com/xasthur_official1/?hl=de


CD1:
01. Affect/Infect
02. A Future to Fear II
03. Psychiatric Carelessness
04. Euphoric Bad Trip
05. Live like a broken mirror
06. Trauma Fiends
07. Abandoned Intuition
08. Concrete mattress
09. I'm not guilty of your past
10. Another Gutter
11. Inevitably dark
12. Spectrum of hate
13. Benefits of dying Part 2

CD2:
01. Mirroring Failure
02. Overdose on Diversions
03. Worse than the good old days
04. Blizzard inside a coma
05. HellRot
06. Hypnotized by lies
07. Stigmatized Grave
08. Delusional identities
09. Sing it at your funeral
10. Projection of Inferiority II