Abergläubisch scheinen Fran und Page nicht zu sein: am Freitag, den 13.01. veröffentlicht das Synthpopduo Xanthippe seine neue E.P. „Diver“ und möchte damit der nicht immer von Glück gesegneten Vergangenheit endgültig „Adieu“ sagen. Denn bei allem musikalischen Gespür für eingängige Melodien und spannende Popsongs abseits des Mainstreams haben die beiden sympathischen Österreicher aus dem beschaulichen Bad Vöslau den ganz großen Durchbruch noch nicht geschafft. Dennoch hatten alle fünf Alben der mittlerweile 31 Jahre währenden Bandgeschichte mehr oder weniger großes Hitpotenzial - Songs wie „Covetous Love“, „Get To Me Closer“ oder „Insane“ hätten zu ihrer jeweiligen Zeit durchaus im Radio laufen können. Umso mehr sollte die globale Synthie-Gemeinde nun die Daumen drücken, dass der „Diver“ in breitere Hörerschichten abtauchen kann. Gegenüber bisheriger Releases fährt man im Hause Xanthippe eine komplett neue Strategie: die E.P. gibt es lediglich als digitalen Download und nicht mehr als physikalischen Tonträger zu erwerben. Die frei gewordenen finanziellen Ressourcen wurden zugunsten eines hoch professionellen Videos eingesetzt, zudem holte sich das gut vernetzte Duo mit Mind.In.A.Box und People Theatre (Peter Rainman) zwei absolute Kracher ins Boot, die - um es vorwegzunehmen - das E.P.-Paket mit zwei qualitativ hochwertigen Remixen bereichern. Auch in einer weiteren Kategorie gelang der Aufstieg in die erste Liga: kein geringerer als Nico Wieditz, Bandmitglied bei And One und einer der bekanntesten Produzenten der Szene, zeichnete für das Mastering verantwortlich. Die vielen ambitionierten Veränderungen im Umfeld lassen sich bereits bei den ersten Takten des Titeltracks heraushören. „Diver“ klingt vielschichtiger als alle Songs des letzten Albums „Issue 5 / The Love Zombie“. Dessen Klangbild kam etwas reduzierter daher, war sicherlich nicht ohne Reiz, aber „Diver“ bietet auch beim fünften Durchlauf noch Sounds und Arrangements, die dem Hörer zunächst verborgen geblieben waren. Bisweilen gehen die eingestreuten Soundeffekte und destruktiven melodiösen Brüche auf Kosten der Mitsingtauglichkeit, aber der druckvollere Gesang, die verstärkt eingesetzten Hall-Effekte und der dominantere Bass wiegen diese vermeintlichen Nachteile um Längen auf. Auch „Start To Draw“ und „End Of Our Stay“, die zunächst gemächlicher aus den Boxen tönen und sich im weiteren Verlauf zu verspielten elektronischen Kleinoden im Stile der frühesten Depeche Mode entwickeln, führen den neuen musikalischen Einschlag fort. Dieser lässt sich passend mit einem ausgiebigen Spaziergang vergleichen: Während der „Love Zombie“ auf direktem Wege und mit flotten Schritten zum Ziel fand, geht der „Diver" so manchen unbequemen Weg, entdeckt dabei bis dato unbekannte Facetten seiner Persönlichkeit, bevor er um spannende sinnliche Eindrücke bereichert, aber etwas verspätet, ebenfalls im Ziel ankommt. Wie es bei Xanthippe zur guten Tradition gehört, befindet sich mit „Visible“ ein Track auf der E.P., der zumindest teilweise in der Heimatsprache eingesungen wurde. Die flotte Melodie im Refrain, der knackige Rhythmus und dezente Clubsounds sollten dem Song einen festen Platz auf Setlists kommender Livekonzerte sichern. Direkt darauf folgt eine Neueinspielung des Songs „First You Say“, der 19 Jahre zuvor auf dem Debütalbum „Blond Jesus“ zu den Highlights zählte. Dankenswerterweise wurden dessen Stärken konserviert und mit einem groovigen Timbre zudem die treibenden Strukturen deutlicher akzentuiert - sehr gelungen! Zum Abschluss geben sich die eingangs erwähnten Remix-Allstars die Ehre. Peter Rainman liefert einen typischen, unverwechselbaren „People Theatre“—Mix ab, der mit treibenden Beats und auf den Punkt sitzenden Akkordwechseln mal wieder absolute Hitqualität besitzt. Den Vogel schießen aber Mind.In.A.Box ab, die den Titelsong komplett in den Sci-Fi-Kosmos ihres eigenen Projekts einbinden. Der Gesang wurde durch den Vocoder gejagt, darüberhinaus die Strophen und der Chorus neu arrangiert. Ein immens aufwendiger Remix, der Xanthippe ein gewichtiges Argument beim Kampf um neue Käuferschichten liefert. Dauergast „Insert C.“, der auf nahezu allen Veröffentlichungen der Österreicher an der einen oder anderen Stelle mitwirkte, ist ebenfalls wieder an Bord und schließt mit einem Mix von „Start To Draw“ die gelungene E.P. ab. „Diver“ hat insbesondere im Gesamtpaket alles, was eine moderne Veröffentlichung unseres Lieblingsgenres ausmacht: abwechslungsreiche Songs, changierendes Tempo, professionelle Produktion, Mut zur Innovation und bekannte Remixer. Mit „Daumen drücken“ alleine ist es zwar nicht getan, aber die Chancen stehen gut, dass Frans und Pages „Diver“ nicht im Mittelmaß untergeht.