Wir haben erneut tief in unserer Schatzkiste der alten Interviews gewühlt und freuen uns, euch heute einen weiteren Klassiker aus unserem Fundus zu präsentieren: Ein Interview mit Wumpscut vom 21. August 2001 welches wir damals per 'E-Mail' führten. Anlass war damals die Veröffentlichung des legendären Albums "Wreath Of Barbs", das die Szene mit seinen düsteren Hymnen ordentlich durchgerüttelt hat. Nachdem unsere große Datenmigration (wie schon geschrieben) in etwa so erfolgreich war wie ein Drachenflug ohne Flügel – also ein Totalabsturz –, mussten wir auch diesen wertvollen Inhalt Stück für Stück händisch wieder einpflegen.
Erst kürzlich haben wir ja das legendäre Feinflug-Interview hochgeholt, und nun folgt mit diesem Wumpscut-Interview ein weiteres Highlight aus dem Archiv. Interviewt wurde damals niemand Geringeres als Wumpscut-Mastermind Rudy Ratzinger höchstpersönlich – und das von unserer Medienkonverter-Legende Veit.
Apropos Wumpscut: Stellt euch vor, ihr seid auf einer Party im Maschinenraum eines Raumschiffs. Es ist laut, dunkel und irgendwie faszinierend – das beschreibt Wumpscut ziemlich gut! Seit den 90ern sorgt Rudy Ratzinger mit seiner Mischung aus hämmernden Beats, grimmigen Vocals und finsteren Synthesizern dafür, dass niemand auf der Tanzfläche unbeschadet bleibt. Wer schon mal versucht hat, zu „Soylent Green“ oder „War“ gemütlich die Wäsche zu falten, weiß, dass das in etwa so entspannend ist wie eine Kissenschlacht mit Ziegelsteinen. Aber genau das macht den Reiz von Wumpscut aus: Ein musikalisches Abenteuer für die Ohren – und manchmal auch für die Nerven. Viel Spaß also nun beim Lesen dieses Klassikers.
Hier also nun das Interview vom 21. August 2001:
Medienkonverter: Erst einmal herzlichen Glückwunsch zum neuen Album "Wreath Of Barbs"! Es wird wohl wie immer ein Erfolg.
Rudy Ratzinger: Besten Dank!
Medienkonverter: Aufgefallen ist mir, das die einzelnen Stücke ruhiger und melodischer klingen, als auf vorherigen Alben. Willst Du mit diesem Wandel ein breiteres Publikum ansprechen oder hast Du andere Gründe, warum Deine Musik mehr und mehr ihren "rohen" Charakter verliert?
Rudy Ratzinger: Ich denke nicht gross darüber nach, was ich mache, das meiste geschieht unterbewusst aus dem kreativen Fluss heraus. Ich finde, dass :W: nach wie vor sehr roh klingt...
Medienkonverter: :Wumpscut: remixed erfolgreich viele Songs diverser Interpreten und setzt auch viele Samples ein. Was liegt Dir eher, das Spielen mit bzw. Verändern von fremden Material oder das Komponieren eigener Stücke?
Rudy Ratzinger: Es hat beides grossen Reiz. Wenn du beispielweise an den Eclipse-Remix denkst: Dem Original ist in seiner Eigenschaft als Pop-Song nichts mehr hinzuzufügen, und somit musst du Alternativen finden, wenn du ihn remixen willst. Überleg dir also vorher genau, ob du dich dazu im Stande siehst.
Medienkonverter: Durch den Mord in Witten war :Wumpscut: oft Gesprächsthema, vor allem in unserem Forum. Bist Du der Meinung, dass Deine Stücke zu so einem Vorfall beitragen könnten oder distanzierst Du dich davon?
Rudy Ratzinger: Ein blutiger Song allein macht noch keinen Killer, da ist noch vieles anderes im Busch.
Medienkonverter: Im Zusammenhang mit Witten und Deinem Ruda-Track wurde der Vorwurf laut, du würdest die Sache zu deinen Gunsten ausnutzen. Auch das Ruda-T-Shirt stieß nicht gerade auf Begeisterung. Merchandising ist zwar notwendig, aber geht
das nicht zu weit?
Rudy Ratzinger: Das Shirt zum Thema ist eines der meistverkauften, das :W: je hatte. Es handelt sich hier um ein Experiment, und der Ausgang war genau so, wie ich es erwartet hatte. Die Reaktionen meinerseits stiessen also grösstenteils auf sehr rege Begeisterungen. Wie immer ...
Medienkonverter: Hast Du für die nächste Zeit weitere Aktivitäten, z.B. Remixes, geplant?
Rudy Ratzinger: Die nächste Veröffentlichung wird die zweite MCD Wreath Of Barbs sein - Anfang 2002.
Medienkonverter: Viele Fans würden Dich gern live erleben. Besteht eine Chance, dass :Wumpscut: in naher Zukunft auf Tour geht?
Rudy Ratzinger: Nein, immer noch nicht und ganz und gar nicht.
Das Interview ging dann ungefähr so schnell zu Ende, wie es angefangen hatte – nämlich in Lichtgeschwindigkeit. Man könnte fast meinen, Rudy hatte so viel Lust auf detaillierte Antworten wie ein Kaktus auf eine Kuscheldecke. Nach ein paar knackigen, aber sehr knappen Sätzen war dann auch schon Schluss, und wir standen da mit einem Mail-Verlauf, der kürzer war als ein Einkaufszettel. Aber hey, was erwartet man von jemandem, der seine Musik so direkt und kompromisslos macht wie Wumpscut? Weniger Worte, mehr Wumms – das passt doch perfekt! Vielleicht probieren wir’s bei Gelegenheit noch mal und locken Rudy mit einem virtuellen Kaffee – aber wir sind uns nicht sicher, ob das reicht, um ihn zu längeren Antworten zu bewegen...