Man liegt sicherlich nicht falsch, wenn man "Popkiller" bescheinigt, dass es nicht das stärkste Album von Wolfsheim gewesen ist. Doch diese etwas undankbare Feststellung übersieht auch, dass Peter Heppner und Markus Reinhardt bemüht waren, nach dem Szeneerfolg ihres Debüts "No Happy View" (mit dem unkaputtbaren Everblack "The Sparrows And The Nightingales") an Professionalität zu gewinnen.

Deswegen vermied man es wohl bewusst, "Popkiller" mit tanzbaren Songs auszustatten, die alle anderen Lieder übrerstrahlen. Den Albumtitel darf man aber ruhig ironisch verstehen, denn das Duo hat sich nicht gegen klassische Songstrukturen gewendet und praktiziert auf einmal musikalische Avantgarde. Die Stücke wollen sich aber auch nicht gleich nach dem ersten Hören ins Hirn einnisten, sondern die Hörerschaft dazu auffordern, sich den Inhalten durch mehrmaligem Konsum zu nähern. Die wolfheim'sche Melancholie, ausgelöst durch Heppners hoffnungsloses Organ, kommt natürlich auch bei diesem Album zum Tragen.

Immer noch ist deutlich die Handschrift von Carlos Perón erkennbar, vor allem "Auf ein Wort", das erste deutschsprachige Stück des Zweiergespanns, kann sein Mitwirken nicht kaschieren. Immerhin hat Peròn auch beim Erstling den beiden bereits fleißig unter die Arme gegriffen. Doch langsam beginnen Heppner und Reinhardt, ihre eigenen Vorstellungen, wie Wolfsheim zu klingen hat, zu konkretisieren. "Now I Fall" nimmt schon vorweg, was später bei "Spectators" (1998) oder "Casting Shadows" (2003) in voller Blüte sich präsentieren sollte.

So fungiert "Popkiller" aber als etwas verloren wirkender Wandler zwischen den Welten: In der Gothic-Szene nicht derart frenetisch aufgenommen wie "No Happy View" und von der breiten Masse noch nicht wahrgenommen (das Album verpasste den Chartseinstieg, was zu erwarten war), ist die Scheibe eine introvertierte Fingerübung für das, was später noch kommen sollte, ohen den Anspruch zu erheben, sofort zu funktionieren.

30 Jahre später nun ist das Album via Subculture Records wider neu aufgelegt worden, selbstredend in verbesserter Tonqualität. Sich dieses kleine Juwel dieser Ausnahmeformation nochmal anzunehmen und es mit "frischen Ohren" zu hören, justiert den Blick auf "Popkiller" neu. Denn auch wenn der große Über-Hit auf der Platte fehlt, ist es erstaunlich mitanzusehen, wie Wolfsheim mit noch relativ bescheidenen Mitteln wegweisende Songs produziert haben.

Schade nur, dass diese Jubiläumsausgabe dürftiges Bonusmaterial bereithält. Lediglich der Club-Mix von "Lovesong" wurde dem Album beigefügt. Ob und wieviele interessante Outtakes, Rehearsals, Demoversionen und Stücke aus dieser Zeit, die es nicht auf "Popkiller" geschafft haben, es gibt, wäre natürlich interessant gewesen. Das ist allerdings sowohl eine Frage der Lizenzierung als auch, ob überhaupt nich Material aus dieser Zeit vorhanden ist. 

Dem ohnehin langjährig geneigten Hörer, respektive der geneigten Hörerin dürfte diese Neuauflage kaum Kaufanreize liefern. Jüngere Wolfsheimer, die vielleicht erst seit der massiven Hit-Single "Kein Zurück" diese Musiker schätzen gelernt haben, sollten sich "Popkiller" auf jeden Fall zulegen, da es zwar kein absatzträchtiges, wohl aber ein entscheidendes Album für den weiteren Werdegang Wolfheims gewesen ist.