Dass Marcel Dreckmann „Skald Draugir“ ein Faible für in der Vergangenheit liegende Geschehnisse und finster erzählte Geschichten hat dürfte all denjenigen bereits klar sein, die sein bisheriges Werk als Fronter von Helrunar verfolgten. Im letzten Jahr dann las er als Wöljager beim Prophecy Fest aus der Münsterländer Sagenwelt und arbeitete unter diesem Namen auch an einem Theaterstück über die Geschichte eines Weissagers (Spökenkieker), der im Münsterland des späten 19. bis frühen 20. Jahrhunderts lebt. Arbeitstitel war ins Hochdeutsche übersetzt "Vom Leben und Sterben" und weil die Realisierung sich verzögerte nahm er nun die in Verbindung mit dem Stück entstandenen Lieder zusammen mit zwei Musikern seines anderen Projektes Árstí∂ir Lífsins auf. Und weil Dreckmann für harte und kalte Schwarzmetallkost und knarzenden Gesang steht ist das Wöljager ein lupenreines Stück finster-natürlicher Folkkunst. 

Ein Folkalbum via Seitenprojekt zu veröffentlichen, damit steht Wöljager nun nicht gerade alleine da in Metallerkreisen. Und so muss "Van`t Liëwen un Stiäwen" eben seine Stärken erst in der Praxis beweisen. Und die sind durchaus vorhanden. Musikalisch fühle ich mich an Empyrium zur "Weiland" Phase erinnert. Sehr mystisch, sehr düster und mit wenigen (und natürlichen) Instrumenten effektvoll umgesetzt. Handwerklich eine Ohrenfreude, zumal Dreckmann auch formidablen Klargesang präsentiert. Dabei setzt er nur teilweise auf seinen tollen, aber eben schon aus Helrunar Werken bekannten Erzählton sondern zeigt sanften Gesang mit sehr melancholischen Unterton. Alle Texte sind passenderweise in Münsterländer Platt gesungen und wirken dadurch noch ein Stück stimmungsvoller, auch wenn sicherlich nur die wenigsten keine Hilfsmittel zum besseren Verstehen benötigen. 

Handwerklich also erlesen - nichts anderes erwartete ich von einem Helrunar Seitenprojekt, denn dies ist deren große Stärke. Inhaltlich konnte man mich aber oft nicht fesseln, waren die Alben doch für mich oft zu verkopft und kalt. Dieses Problem hat "Van`t Liëwen un Stiäwen" nicht, denn anders als Schwarzmetal wirkt Folk immer etwas wärmer und finstere Stücke eher melancholisch als kalt. Dem Album in seiner Gesamtheit merkt man an, dass es "nur" Teil eines größeren Ganzen ist, verfinstert und verkleinert sich doch die Welt im Verlauf immer mehr (und ich stelle mir vor, dass die Songs ein immer düsterer werdendes Theaterstück begleiten und deswegen mehr und mehr in den Hintergrund treten). Deswegen wirkt das Album als Gesamtwerk auch intensiver als seine einzelnen Teile und ich die Zahl der stimmungstransportierenden und in Ambient driftenden Momente überwiegt die der "kleinen Hits". Doch sind der Titeltrack, "Kuem to me", der "junge dään" und das sogartige "up`n likwä" durchaus auch starke und für sich stehende Folkstücke. Das angesprochene Empyrium Werk "Weiland" bleibt in meinen Ohren unangetastet auf dem Thron, doch das Wöljager Debüt ist sicherlich einen Durchlauf und den Kauf wert. 

"Van`t Liëwen un Stiäwen" ist auch durch seine Präsentation ein schönes Werk für Musikfreunde: in einem 60 seitigen Buch findet der Käufer die Texte in Platt und die eigentliche Geschichte sowie englische Übersetzungen zu beiden. Das lässt das Sammlerherz höher schlagen und rundet den positiven Gesamteindruck ab.