Bereits im letzten Jahr legte ich mir die ‚American Gothic‘ zu, Wayfarers fünftes Album und in meinen Ohren ihr bisher stärkstes Werk. Ich hatte die knappe Dreiviertelstunde auch in meinem Jahresrückblick erwähnt, aber für eine eigene Kritik fehlte bisher die Zeit: Folgt mir also auf den Spuren von Panopticon und einer tief mit der Seele des Grass Roots verbundenen Melange aus Black Metal und Country.

Auch wenn das Album thematisch eher weiter westlich angelehnt ist finde ich mich beim Hören dieses Albums im Geiste immer wieder in den Appalachen wieder, jener Gebirgsregion, die sich über weite Teile des US-amerikanischen Westens zieht. Weite Teile dieser irgendwie aus der Zeit gefallenen Region ist verarmt, steht für den Niedergang einer Zeit der amerikanischen Geschichte, die ein großer Teil der amerikanischen Wähler in diesem Jahr verklärt als gute alte Zeit erinnern wird. Wayfarer klingen aber nicht verklärt, es gibt keine kitschigen Country Einlagen und nur selten schmeichelnde Elemente. Entfernt man sich vom Black Metal, so versetzt der Sound den Hörer eher in eine fiebertraumartige Stimmung wie bei „Reaper in the oilfields“. Ihr Black Metal im Mid Tempo ist eher rauh, klingt unbeugsam und nach einem erschöpfenden Alltag in karger Entbehrung. Über weite Teile der Spielzeit schafft es die Band, meine Aufmerksamkeit zu halten. Insbesondere „The cattle thief“ ist ein echter Brecher, an dem ich mich nicht satthören kann.

Vollkommen entkoppelt von skandinavischen Vertretern und dem klassischen US Black Metal besetzen Wayfarer mit ‚American Gothic‘ den Thron, den bisher Panopticon mit Leichtigkeit hielt. Dies liegt in meinen Ohren insbesondere an einem Vermeiden der Monotonie im Schlagzeugspiel und in Blast Beat Parts. Immer wieder wird aufs Gas getreten, aber nie ununterbrochen durchgeballert. Zudem halte ich die Vocals bei Wayfarer für deutlich stärker, sowohl was cleane Parts angeht, als auch im schwarzmetallischen.

Die Weihen einer höheren Bewertung verhindert der in meinen Ohren schwächere und seltsam konstruierte Mittelpart: Nach zwei echten Black Metal Brechern zum Einstieg mit 17 Minuten Spielzeit folgen vier kürzere Songs, die zusammen kaum eine Viertelstunde andauern und aus 3 sanfteren Tracks und einem sehr langsamen, ereignisarmen Metalstück bestehen. Dann kommen noch einmal 13 starke Minuten Metal, aufgeteilt in zwei Stücke, von denen insbesondere das abschließende „False constellation“ saustark daherkommt. Ich verstehe die Entscheidung nicht so ganz, den ruhigen und eben wenig besonderen Block zusammengestaucht in die Mitte zu packen. Deswegen werde ich auf lange Sicht sicherlich auf eben jene 4 mittleren Tracks verzichten und die ersten zwei und die letzten zwei Titel als eigentliches Album wahrnehmen. Und die reichen mir für ein hohes Maß an Begeisterung und eine dicke Reinhörempfehlung.


Wayfarer – American Gothic

27.10.2023 / Century Media


https://wayfarercolorado.bandcamp.com/album/american-gothic


  1. The thousand Tombs of Western Promise
  2. The Cattle Thief
  3. Reaper on the Oilfields
  4. To Enter my House Justified
  5. A high Plains Eulogy
  6. 1934
  7. Black Plumes over God's Country
  8. False Constellation