Wer es nicht schon im Dependent-Forum oder in unseren News gelesen hat, den überrascht die böse Nachricht beim Durchblättern des Booklets. Das Gelsenkirchener Plattenlabel, das mit Acts wie VNV Nation, Suicide Commando, Seabound, Dismantled und vielen mehr schnell zu einer festen und etablierten Größe in der Electroszene heranwuchs, stellt in diesem Sommer nach nur rund sieben Jahren seinen Betrieb ein. Der Schock bei Musikern und Fans sitzt tief, kam diese Hiobsbotschaft doch sehr überraschend. Mehr über die Hintergründe dieser Entscheidung könnt Ihr demnächst in einem Interview, das unser Mitarbeiter Daniel mit Labelchef Stefan Herwig führte, nachlesen. Dependence Next Level Electronics Vol. 2 ist die konsequente Fortsetzung des im Herbst 2004 erschienenen ersten Teils. 2004 war das Jahr, in dem Dependent 5-jähriges Jubiläum feierte und in dieser außergewöhnlichen Compilation auf die vergangenen Schaffensjahre zurückblickte und eine denkwürdige Bilanz zog. Das persönliche und ehrliche Fazit des Label-Teams fiel ziemlich ernüchternd aus. Alle Welt sprach von „Deutschland sucht den Superstar“, die Konsumenten wurden inflationär mit inakzeptablen Tonträgern überhäuft, man fürchtete um das geistige Niveau der Nation. Die CD-Verkäufe gingen beachtlich zurück, große wie kleine Plattenfirmen sahen einem langen, schweren Kampf entgegen – einem Kampf, der seinen Zenith bald überschritten haben wird. Denn die ersten Tode sind bereits zu beklagen. Jetzt, mehr als zwei Jahre später, steht der zweite und zugleich letzte Teil dieser hoffnungsvollen Sampler-Reihe in seinem rabenschwarzen, außergewöhnlichen Jewelcase wie eine Art Mahnmal in den Regalen der Plattenläden. Wie bei Volume 1 konzentrierte man sich hier erneut ganz auf die Zugpferde und langjährigen Weggefährten des Labels. Im Gegensatz zu den vielen anderen auf dem Markt erhältlichen Zusammenstellungen begnügt man sich bei dieser Reihe aber nicht nur mit dem bloßen Recyceln einzelner Tracks. Dependence vereint ausschließlich unveröffentlichte Titel und Versionen sowie rare und exklusive Aufnahmen. Seabound, Mindless Faith, Pride And Fall, Dismantled, Flesh Field, Ivory Frequency, Suicide Commando und Mind.In.A.Box sind bekannte Gesichter und geben sich auch auf Vol. 2 wieder die Klinke in die Hand, mal mit mehr, mal mit weniger starken Titeln. Während Seabound mit einer neuen Version von „The Promise“ der wohl idealste Einstieg in den Sampler sind, wüten Flesh Field doch sehr gitarrenlastig und ein wenig zu „schreihalsig“ an. Es drängt sich der Vergleich mit Marilyn Manson auf, und das tut gar nicht gut. Insekt, die auf dem ersten Teil des Samplers noch nicht vertreten waren, rocken mit einem Remix ihres „Teenmachine“-Hits „Bambifucker“ in cyberesker Punk-Manier ebenfalls ziemlich extrem. Pride And Fall wirken bei „Adored“ leider wieder erschreckend emotions- und konturenlos. Das letzte Album ließ doch einiges mehr erhoffen! Ivory Frequency und Suicide Commando liefern wieder erstklassigen Electro in gewohnter Manier ab, ebenso Mind.In.A.Box, deren drittes Album bereits in Planung ist und noch von Dependent veröffentlicht werden soll. Und wer ist sonst neu dabei? Fractured, ein Trio aus Kanada, überzeugen mit düsterem, solidem und clubtauglichem Dark Electro, Rotersand, eigentlich ja alte Bekannte, trumpfen mit einer 2007er Version ihres großen Hits Merging Oceans auf. Edge of Dawn dürften vielen spätestens seit dem Zeitpunkt bekannt sein, als Frank M. Spinath von Seabound das Projekt von Mario Schumacher verstärkte. Noch recht unbekannt ist dagegen das Seitenprojekt von Dismantled Mastermind Gary Zon und Sängerin Tonya Pugh. NNN, die Abkürzung für No Not Never, präsentiert sich mit „We were“ von einer ruhigen, sehr melodischen und verträumten Seite. Einen bombastischen Kracher dagegen liefert Autoagression, ein deutsches Ein-Mann-Electro-Industrial-Projekt, das nach Erscheinen des Debütalbums „Geräuschinformatik“ im Jahr 2005 auf Anhieb sämtliche Clubtanzflächen in der Republik zum Beben brachte. Der bisher unveröffentlichte Titel „Speed“ sagt bereits alles aus! Stromkern runden den Sampler mit einem besonders bemerkenswerten Track ab – traurige Piano- und Streicherklänge und die klare, intensive Stimme von Victoria Lloyd (Clair Voyant/HMB) machen „Hindsight“ zu einer emotionalen, filigranen und sehnsuchtsvollen Ballade, die wie ein Abschiedslied anmutet. Dependence Next Level Electronics Vol. 2 spiegelt erwartungsgemäß ein weiteres Mal das vielseitige Gesicht des Labels und seiner Künstler wieder, die nicht am Fließband produzieren, sondern mit viel Idealismus und Liebe hinter ihrer Kunst und Arbeit stehen. Eine solche CD mit knapp 80 Minuten Spielzeit zum Midprice anzubieten, dürfte ein weiterer, nicht zu ignorierender Beweis sein, dass hier für den Kunden, den Musikliebhaber, und nicht ausschließlich für den Profit gehandelt wird. Dem Label gebührt großer Respekt und Dank!