Post im Briefkasten ist nicht immer schön, wenn der Absender jedoch das AI-Label aus London und nicht das Finanzamt ist, freut man sich riesig. Denn dann ist klar: da steckt eine mächtige Ladung Elektronik drin. Ich halte den Brief ans Ohr und meine die ersten knisternden und knarzenden Geräusche wahrnehmen zu können. Der Aufkleber auf dem White-Label offenbart eine Zusammenstellung vieler Pferdchen, die für den noch recht jungen Londoner Stall an den Start gehen. Loungig aber auf jeden Fall frickelig sind Najem Sworb am Start: Futter für den elektronischen Sommer. Konzeptionell ähnlich treten Plant 43 mit ‚Bristle White Trees’ an, zeigen jedoch mit ‚Grey Sky Cracks’ auch eine kühlere, bedrohlicher wirkende Seite; so ein wenig ‚Klinik light’ vielleicht... AI zeigen eindrucksvoll, dass Elektronik nicht gleich Elektronik sein muss und legen mit The Third Man noch ein Scheibchen Deep & Dark House bei, wobei vor allem ‚6 am On Leith Walk’ unglaublich faszinierend vor sich hin plockert. Einen schönen Übergang liefern die bereits beim MK besprochenen Datassette vom tanzbaren ‚Damage Report’ hin zum eher ambienten und experimentelleren ‚Pluck’. Michael Manning greift die heruntergefahrene Dynamik auf und fängt zunächst streicherdominiert an um nach zweieinhalb Minuten im Low-Beat Bereich groß aufzutrumpfen. Dass er auch anders kann hört man im technoiden aber trotzdem entspannten ‚Numb’ und mit dem clickety-click-Track ‚The Lost Aberrant Dragon Fly’. Schließlich sind noch Sinner DC vertreten, die Synthesizer-Glückseligkeit mit Referenzen hin zu Orbital bereitstellen. Wer wie ich in den Neunziger sehr betrübt war als WARP bereits nach zwei Releases seine Artificial Intelligence Compilation-Reihe eingestellt hat, findet mit AI nach einem guten Jahrzehnt eine würdige Fortsetzung. Und überhaupt, steht AI nicht sogar für Artificial Intelligence? Wer übrigens mehr auf limitiete Vinyl-Releases steht, dem sei der AI022 Sampler ans Herz gelegt, der mit ähnlicher Aufstellung aber anderen Tracks nicht minder schön ist.