Wenn es um Electronica der experimentellen, vorausschauenden Sorte geht, ist das englische Label Planet Mu vorne mit dabei, zusammen mit Landsmännern wie Warp oder Ninja Tune. 1995 als Tochterunternehmen von Virgin gegründet, führte Mike Paradinas aka μ-Ziq es drei Jahre später in die Eigenständigkeit. Seitdem hat sich ein beachtlicher Katalog aufgebaut, in dem sich so illustre Namen wie z.B. Venetian Snares, Meat Beat Manifesto, Luke Vibert, Neil Landstrumm, Vex'd, Distance, Boxcutter, Ital Tek, Benga, Pinch u.v.m. aneinanderreihen. Ihre Arbeitsweise, mit ihren Signings Felder zu erschliessen, die nicht schon im industriellen Maßstab beackert wurden, wurde auch im letzten Jahr wieder deutlich, als sie mit der Compilation "Bangs & Works" dem eigenwilligen Sound der Chicagoer Juke- und Footwork-Szene einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich machten. Mit "14 Tracks From Planet Mu" gibt es nun einen Einblick in den aktuellen Stand der Dinge, zum Einen anhand von bisher nur auf Vinyl oder Digital erhältlich gewesenen Stücken, zum Anderen durch exklusive neue Produktionen. Insgesamt hinterlässt der Sampler einen weniger Dubstep-lastigen Eindruck als noch der "Mu School"-Sampler von 2009. Was hängen geblieben ist, sind die schrägen Synthlines und vertrackten Rhythmen, die sich mal mehr, mal weniger stark an Genres wie UK Garage, House, Glitch-Hop, Funk und dem bereits erwähnten Dubstep annähern. Das schon vom ersten Track vermittelte Gefühl von übersprudelnder Energie kann gelegentlich auch an den Nerven zehren, was für mich vor allem bei Ikonika der Fall war. Ihr "Dckhdbtch" von der gleichnamigen EP variiert in meinen Ohren leider kaum von vorangegangenen Veröffentlichungen. Nach einer Weile geht mir dieses ständige 8Bit-Gepiepse auf den Keks, mit dem soetwas wie Melodie aufgebaut werden soll, was sich aber letztendlich anhört wie ein über das Keyboard laufender hyperaktiver Hamster. Da frage mich mich, warum nicht eines der beiden anderen Stücke der EP, welche wesentlich geschmeidiger sind, ausgewählt wurde. So konkurriert das Lied mit Rudi Zygadlo's "Hooray For Captain Balding" um den Titel des nervtötendsten Tracks, wobei letzterer es vornehmlich aufgrund des sich jeglicher Kategorisierung entziehenden, schiefen Gesangs unter die Kandidaten geschafft hat. Zumal ich "La La La" in Lyrics einfach nicht leiden kann. Das Downtempo-Beatwork sorgt auch nicht wirklich für Begeisterung, es ist einfach da, kann jedoch auf sich allein gestellt keinen besonders eingängigen Groove hervorbringen. Diese beiden Stücke stören mich zwar, sind aber immerhin noch strukturell und instrumentell irgendwie interessant, insofern sind sie immer noch besser als der Tiefpunkt dieser Scheibe: Ceephax Acid Crew's "Topaz". Mit einem überaus langweiligen Four-on-the-floor-Beat und Retro-Gedudel, wie ich es nur von enthusiastischen Laien erwarten würde, die Anfang der 80er ihren ersten, günstig erworbenen Analog-Synthesizer probefahren. Da kann soviel Erfahrung und Professionalität involviert sein wie will, ich schlafe dabei jedenfalls ein (bzw. klicke weiter) und es wirkt deplatziert. Das Ding ist womöglich nur etwas für Nostalgiker. Ansonsten ist eigentlich alles schön und gut. Boxcutter bietet mit "Ufonik" eine erste Kostprobe seines demnächst erscheinenden neuen Albums. Abgesehen von den spacigen Sound-Spielereien ist es relativ gemächlich, und der Soul-Gesang von Brian Greene macht es zu einem umso lässigeren Hörerlebnis. Das trifft auch auf die Beiträge von Floating Points und FaltyDL zu, welche zu einem stetigen, irgendwo zwischen Garage und House angesiedelten, leichtfüssigen Beat eine sehr angenehme, warme Atmosphäre erzeugen. Im Fall von FaltyDL tritt dabei noch ein unüberhörbarer Funk-Einfluss zum Vorschein. Unter dem Pseudonym Kuedo verbindet Jamie Teasdale aka Jamie Vex'd Elemente aus Hip Hop und Dubstep, wobei es in Anbetracht des Sounddesigns sicher auch Schnittmengen mit Glitch Hop gibt. In eine ähnliche Kerbe schlägt der Remix von Slugabed, der seit neuestem im Line-Up von Ninja Tune vertreten ist. Starkey's wonky "Stars" wird durch die Behandlung etwas beat- bzw. basslastiger und noch wonkier. Anneka's Vocals werden dabei streckenweise bis auf die Vokale zusammengestaucht und gestreckt. Swindle's "Airmiles" stellt für mich das tanzorientierteste Stück der Platte dar, in dem ein treibender, grimey Rhythmus zum Kopfnicken einlädt. Die wie zu erwarten etwas abgefahrenen Synths fügen sich sehr gut ein und unterstützen den energetisierenden Effekt. The Internal Tulips liefern ein Stück mit Ambient-Qualitäten ab, allerdings mit an Zygadlo erinnerndem Gesang. Die Strings-ähnlichen Flächen kompensieren dieses Manko jedoch etwas. Solar Bears und Tropics gesellen sich mit jeweils einem Lied aus der Sparte Cosmic Disco dazu, was in beiden Fällen sehr gechillt daherkommt, teilweise geradezu verträumt, mit catchy Pop-Melodien und diesmal positiv wirkendem Retro-Feeling. Persönlich gefiel mir "The Mu School" besser, was vielleicht daran liegt, dass der neue Sampler eine sehr spaßige, etwas abgedrehte Angelegenheit ist, und ich bin einfach kein besonders spaßiger Mensch. Man sollte an diese Zusammenstellung auf jeden Fall mit einem weit geöffneten Ohr herangehen. Der Sound ist frisch, relativ ungewöhnlich und abwechslungsreich, zudem gibt es eine eine Menge Anknüpfungsmöglichkeiten, bspw. in Richtung IDM. Selbst wenn einem ein paar Stücke nicht zusagen, interessant ist es allemal...naja, bis auf das anachronistische "Topaz".