Manchmal passiert es, daß man durch Zufall auf eine Band stößt, die aus einem Bereich kommt von dem man nichts mehr erwartet hatte und die einen dann doch umhaut. Mir ging es mit dem Black Metal so – ich war eigentlich durch mit dem Thema, denn egal in welche Richtung es ging (Symphonic, Suicidal/Doom, old-school....): auf wirklich Neues kann man kaum noch hoffen. Es kommen immer wieder neue Bands und Alben, die super klingen und bekannte Themen geschickt neu verpacken, aber ein neues Hörerlebnis stellt sich selten ein. 1999 entstand ein Projekt in den schönen Niederlanden, das allein durch seinen Namen und die Alben- und Liedertitel schonmal aufhorchen lässt: Urfaust. Zunächst als Soloprojekt von IX (Willem) angedacht entstand eine Demo „Urväterlicher Sagen“, die reine Ambient-Keyboardmusik beinhaltete. 2003 stieß Drummer VRDRBR (Nachtraaf) hinzu, IX tauschte das Keyboard gegen die E- und Bass-Gitarre und Album Nummer 1 entstand: „Geist ist Teufel“. Ein Jahr später und um ein Bandmitglied reicher (Dolen ist für elektronisch/orchestrale Klänge zuständig) veröffentlichte man das zweite Album „Verräterischer nichtswürdiger Geist“. Zwei Split-Veröffentlichungen folgten und heute, 2008, ist die Band bei den „Drei Ritualen jenseits des Kosmos“ angelangt. Was für ein Name, was für eine Entwicklung: Auf den ersten beiden Alben klangen Urfaust so eigenständig, so befremdlich und anziehend – sie machten Black Metal mit allem was dazugehört: einem miserablem Sound, herunterziehende Melodien und sägende Gitarren. Aber denoch war alles anders und das liegt vor allem an der Gesangsarbeit. Neben den herzzerreißend gekreischten Tönen, die typisch für die Musikrichtung sind, lässt IX einen Gesang ab, der zwischen klassischer Ausbildung und betrunkenem Seemannsgesang schwankt. Zu keiner Zeit verständlich ist der Gesang aber so besonders, daß Urfaust in den Bann ziehen und ein neues Hörerlebnis fabrizieren. Ich kann nur jedem Fan härterer Pagan/Black Metal Klänge empfehlen, sich einmal „Des halbtoten Dichters Schein-Existenz“ reinzuziehen: dieser Titel auf der ersten Split-Veröffentlichung (zusammen mit Circle of Ouroborus) ist ein wahrer Segen in der sich ständig wiederholenden Black Metal Landschaft. Doch auf der zweiten Split begann sich die Musik zu verändern: der Black Metal trat etwas weiter zurück und immer mehr Elemente aus dem Noise/Doom/Ambient traten in den Blickwinkel der Band. „Drei Ritualen jenseits des Kosmos“ ist eine Mini-EP, die den Hörer auf eine Probe stellt. Das Nervenkostüm wird genüsslich malträtiert, die Musik tritt von Ritual zu Ritual immer weiter in den Hintergrund und es bleibt nur eine Stimmung, eine Geräuschkulisse, die den Hörer fordert. Der Sound ist dabei wirklich schrecklich – eigentlich fehlt nur noch das typische Tape-Rauschen und man könnte sich vorstellen, ein 90er BlackMetal Release in den Händen zu halten. Klare Produktion? Gute Mikros? Saubere Abmischung? Fehlanzeige! Aber bei Urfaust gehört dieses Element zum guten Ton – die Musik lebt von ihrer gewollten Hässlichkeit und als Fan will ich gar nicht wissen, wie Urfaust sauber produziert klingen würden. Ritual Nummer 1 ist ein extrem langsames, doomiges Stück, schleppend-scheppernder Drumsound und sägende Gitarren tragen das Grundgerüst und über allem thront ein Gekeife, das man selbst in Norwegen nach wochenlanger Dunkelheit nicht verzweifelter hervorbringen könnte. Nach vier Minuten wechselt der Gesang schließlich in den dunkel-klassischen Gesang und beide Gesangsstile wechseln sich in der Folge immer wieder ab. Pure Verzweiflung, die Gitarren fräsen sich ins Gehirn und der Song toppt jedes Release von Selbstmordkapellen a la Shining locker in Sachen Stimmung. Was sich im ersten Ritual nur andeutete, gewinnt bei Nummer 2 immer mehr „Struktur“ - die Gitarrenaufnahmen klingen fast drone-artig – ein anhaltender, sich nur leicht verändernder Ton, der ohne Pause oder Erbarmen erklingt. Der Klang ist wie durch eine Röhre aufgenommen – auf einer guten Anlage abgespielt hat man das Gefühl, daß der schrille Ton überall ist, den Hörer verfolgt und in die Knie zwingt. Die Melodie ist auf ein Minimum reduziert worden, der Gesang kämpft aber weiterhin pompös und unbeirrt gegen die Gitarrenwand an. Mich erinnert das an eine hässliche Mischung aus alten Lunar Aurora, Sunn O))) und Velvet Cacoon (die mit einer selbstgebauten Dieselharfe dröhnen). Ritual Nummer 3 geht noch eine weitere Stufe weg von Musik im eigentlichen Sinne, beginnt mit einem urtümlichen Noise/Ambient Part um dann wieder schleppenden Drone-Sound zu erschaffen. Leichte Kost ist etwas anderes, die „Drei Rituale..“ sind ähnlich abstoßend wie das vor kurzen von mir besprochene Skitliv-Release (aber einfach hundertmal besser). Anstrengend, schrill, nervig, hässlich und dabei faszinierend. Daß das in weiten Teilen am Gesang liegt geht in Ordnung – dieser ist einfach gut. Auf dieser EP tritt aber gerade der Gesang etwas zurück und die Drones übernehmen die Hauptrolle und auch hier überzeugen Urfaust auf besondere Weise. Mir persönlich haben die Vorgängeralben zwar besser gefallen, weil der Gesang dort besser und öfter zum tragen kam, aber für ein wirklich extremes Doom/Drone Erlebnis sind Urfaust mit dieser EP wirklich geeignet. Mehr als 4,5 Punkte kann ich aber nicht geben, weil wahrscheinlich 98% der Menschheit das Ganze als unerträglichen Lärm wahrnehmen würden (und das vollkommen zu Recht). Da sich die Herren ein klein wenig aus der Öffentlichkeit halten und es keinerlei offizielle Internetpräsenz gibt ist der Link von Fans erstellt.