Dass man mit einem klassischen Klavierstudium nicht zwangsläufig im Konzertsaal endet, sondern auch in den schwärzesten Kellern der Industrial-Szene landen kann, beweist Erica Dunham seit den späten 90ern eindrucksvoll unter dem Namen 'Unter Null'. Was in Seattle als experimentierfreudiger Alleingang begann, hat sich längst zu einer festen Größe in der Dark-Electro-Gemeinde entwickelt – irgendwo zwischen Aggrotech, EBM und diesem Punkt im Leben, an dem man nicht mehr leise bleibt.
Die neue EP ‘You Made A Monster’, veröffentlicht am 25. Juli 2025, ist genau das, was der Titel verspricht: wütend, unbequem, voller Kratzer und Narben – aber nicht im Selbstmitleid ertrinkend, sondern zackig, zornig aufgerichtet. Der Titelsong ist ein finsteres Manifest, ein musikalischer Mittelfinger an alle, die mit Täterlächeln durchs Leben marschieren und dabei auch noch Beifall kriegen. „You knew what he did / You knew of his lies / You gave up your morals for your motherfucking pride“ – das ist keine Lyrik für Stickrahmen und Teetassen. Das ist Wut, die tanzen will. Und ehrlich gesagt: Ich mag das so. :-)
Musikalisch bleibt Erica sich treu: verzerrte Beats, brüllend ehrliche Vocals, zwischen Maschinenrhythmus und Gefühlsexplosion. Der Sound ist dabei nicht unbedingt subtil – aber 'Unter Null' war noch nie für musikalisches Understatement bekannt. Gut so. Denn dieser Track soll nicht schmeicheln, er soll aufrütteln. Und das gelingt. Wer danach ein bisschen atmen will, bekommt mit ‘Coming Up To Breathe’ den passenden Soundtrack – ein melancholischer Track, der zwar weicher klingt, aber thematisch weiterbohrt. Persönlich finde ich diese Nummer sogar stärker als den Opener, weil sie mehr Tiefe hat und zeigt, dass Kraft nicht immer mit Lautstärke verwechselt werden muss.
Dazu gibt’s gleich drei Remixe, die sich wie drei verschiedene Clubnächte anfühlen: C-Lekktor liefert die erwartbar brachiale Tanzflächenversion, Leæther Strip bringt die Retro-EBM-Vibes inklusive Synthie-Melodien zum Mitwippen, und Frontal Boundary klingt, als hätte jemand das Original unter Strom gesetzt und dann im Studio festgeschraubt. Funktionieren alle gut – wobei ich gestehen muss: Für mich sticht hier Leaether Strip positiv hervor, einfach weil er dem Track eine emotionale Tiefe verleiht, die in all dem Stampfen angenehm auffällt. Was mir an ‘You Made A Monster’ besonders gefällt, ist, dass hier nichts weichgespült ist. Es geht um Schmerz, um Erfahrungen, die nicht diskutiert, sondern einfach mal rausgeschrien werden müssen. Klar, nicht jeder wird das mögen – die Vocals sind roh, die Produktion kompromisslos, die Message ungemütlich. Aber genau deshalb funktioniert das Ganze. Es klingt echt. Und es klingt, als hätte sich da jemand seine Stimme zurückgeholt.
Also: Wer auf cleane Pop-Produktionen, Wohlfühltexte und musikalisches Lavendelaroma steht, sollte vielleicht lieber weiterziehen. Für alle anderen ist diese EP ein kleines Monster von einem Statement – wuchtig, ehrlich, unbequem. Und ganz ehrlich: So klingt für mich Relevanz. Mein Fazit? Ich habe selten so gerne einem Monster beim Wachsen zugehört.
Unter Null - You Made A Monster
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