Unheilig – schon beim diesem Namen bekommen viele Gothen Schweißausbrüche. Die einen halten den Grafen für das größte musikalische Genie dieses Planeten – die anderen halten ihn für den Hansi Hinterseer der Grufti-Szene. Schlager meets Pur meets Goth. Doch das Rezept geht auf – und gegen Erfolg kann man schlecht argumentieren. Bereits die letzte Veröffentlichung „Puppenspiel“ schaffte es auf Platz 13 der Deutschen Albumcharts. Man muss kein Prophet sein, wenn man davon ausgeht, dass das neue Werk „Grosse Freiheit“ das oberste Treppchen anvisiert. Kein Tag vergeht, an dem nicht ein neuer Bekannter einen auf Unheilig anspricht, mit Infos versorgt werden möchte und von dieser Band schwärmt. Vielen wird langsam unheimlich. Die Städte sind voller Werbung – die Musikkanäle spielen „Geboren um zu leben“ rauf und runter, so dass der dritte Platz der Single die Richtung kräftig vorgibt. Doch was steckt dahinter? Eine Chartplatzierung sagt nun mal nichts über die Qualität einer Scheibe aus – sondern nur etwas über die Qualität der Promotionkampagne. Diese jedoch geht Hand in Hand mit der Qualität von „Grosse Reise“. Denn von Beginn an zeigt der Graf, was ihn in der deutschen Musiklandschaft so einzigartig macht. Die Verbindung zwischen großen Gefühlen, eingängigen Melodien und der ausdrucksstarken Stimme dringt auf „Grosse Reise“ wahrhaft in neue Gewässer vor. Abwechslungsreicher und mutiger gestaltet sich das Album und verzichtet, nur auf Bekanntes zu setzen und einfach ein weiteres Unheilig-Album sein zu wollen. So setzt bereits das Intro „Das Meer“ große Bilder in den Köpfen fest. Leinen los, der Graf bricht in unbekannte Welten auf. Wer erinnert sich nicht, wie er das erste Mal verdutzt geschaut hat, als er den Kinderchor bei „Geboren um zu leben“ vernommen hat. Mein erstes Mal liegt nun schon mehr als ein viertel Jahr zurück und ich muss sagen, dass mir diese Melodie seitdem immer noch nicht losgelassen hat. Klar, es ist völlig verkitscht – aber genau das fehlte der Musik von Unheilig bisher. Nein, nicht der Kitsch. Die völlige Übertreibung. Grenzen einreisen. Man muss es eben nicht allen recht machen. Und seine Anhängerschar wird damit immer weiter anwachsen. Aber auch ein Kracher wie „Abwärts“ bohrt sich tief ins Hirn ein und wird bei der anstehenden Tour für steigende Temperaturen sorgen. Einziger Kritikpunkt könnte die relativ große Anzahl an balladesken Stücken sein. Für sich betrachtet sind „Halt mich“ und „Unter deiner Flagge“ nicht gerade die besten Songs in der Unheilig-Discographie, doch inmitten dieses kompakten und dichten Albums fühlen auch sie sich gut an. Was soll man sagen? Der Graf hat mit „Grosse Reise“ eigentlich alles richtig gemacht. Trademarks ausgebaut, weiter entwickelt und in ein wunderbares Konzept gepackt. Unheilig sind auf dem Weg zu einer ganz großen Reise. Die kommenden Platz 1 Platzierung (da lehn ich mich jetzt einfach mal großspurig aus dem Fenster) ist nur der erste Stopp. Alle Neider dürfen schon mal loswettern – ändern werdet ihr eh nix dran. Anspieltipps: Geboren um zu leben, Abwärts, Grosse Freiheit