Wer im Profi-Fußball als "ewiges Talent" gilt, hat, pardon die Wortwahl, verschissen. Trotz hervorragendem Leumund schaffen es diese Leistungssportler nicht, die in sie gesetzte Erwartungen zu erfüllen. Sie fristen dann meistens ein Dasein auf der Ersatzbank prominenter Clubs, ohne sich richtig beweisen zu können. Eine Beschreibung, die eins zu eins auf Tüsn transferiert werden kann. 

Das in Berlin gegründete Trio hat nämlich alles, was für eine Durchstarterband von Nöten ist: Sie fallen durch ihren eigenen Stil auf, der einerseits poppig, ja fast schon schlageresk anmutet, aber viel zu viele Ecke und Kanten besitzt, um als rundgelutschtes Klangbonbon ohne Nachwirkungen durch die Gehörgänge zu purzeln. Und Sänger Stefan "Snöt" Fehling drückt mit seinem alerten Organ den Stücken eine hoch existenzialistische Stimmung auf. Was zur Folge hatte, dass nicht nur Festivals, sondern auch Fernsehsender auf die Jungs aufmerksam wurden. Tüsn würde durchgereicht, von "Inas Nacht" bis nach "Circus HalliGalli". Allein: Der große Erfolg mochte sich nicht so richtig einstellen. Nach ihrem vielbeachteten Erstling "Schuld" (2016) und dem drei Jahre später veröffentlichten Nachfolger "Trendelburg" wollen sie es mit "Am Ende bleibt Dir nichts" noch einmal wissen und fahren einen teilweise jubilierenden, sehr gut produzierten Sound auf, der sich wieder einmal jeder Kategorisierung entzieht. Dann steht (oder sitzt) man vor der Heimanlage, lauscht den an sich substantiellen Stücken, die wie in dem bockstarken "Jetzt & für immer" oder dem sozialkritischen "Algorithmen" die musikalische Coolness von Glasperlenspiel mit der Renitenz von Kraftklub zu verbinden versteht, und bleibt doch ein bisschen ratlos zurück. 

Man will sie gut finden und tut sich trotzdem schwer damit. Vielleicht weil Tüsn einfach zu viel wollen. Ihre Songs ergehen sich teilweise in übertriebenem Pathos, was die textlichen Raffinessen von "748 Millionen", einer musikalischen Antwort auf die Corona-Jahre, in den Hintergrund drückt. Ebenso verschränken sich in "Ruinieren wir uns heile" die Bombast-Momente, die einer Band wie Muse locker das Wasser reichen könnte, mit einem zu hektischen Stakkato-Gesang. Schlussendlich funktioniert das nur bedingt. Manchmal überraschen die Jungs dann aber doch. "Was hast Du heute Abend vor?" schmeckt einer adoleszenten Leichtigkeit des Seins nach, begleitet von fanfarenartigen Trompeten. Vor allem in den balladesken Momenten blüht das Dreiergespann richtig auf. "Vernavigieren" zählt sicherlich zu den schönsten deutschsprachigen Liedern, die seit langem geschrieben wurden. Auch "Auf Wiedersehen" versteht sich gut im Herzschmerz, ohne dabei musikalische wie sprachliche Klischees zu bedienen. 

"Am Ende bleibt Dir nichts" wird seine Käufer finden, da besteht kein Zweifel. Doch diese Wir-wollen-in-keine-Schublade-gepresst-werden-Mentalität reiben Tüsn einem etwas zu plakativ unter die Nase.