Skurrilitäten bei der Recherche: Obwohl Thorofon als Name schon ziemlich außergewöhnlich erscheint, existierte bereits in den 1960er Jahren eine kleine Plattenfirma gleichen Namens, ins Leben gerufen von verschiedenen deutschen Pfadfindergruppen. Dementsprechend züchtig das dort vertriebene Liedgut. Von Pfadfindereien ist das Projekt Thororfon aber meilenweit entfernt. Höchstens kann die Musik von Mastermind Dan Courtman für eine spooky Mitternachtswanderung der tugendhaften Jugend herhalten. Immerhin würden die klaustrophobischen Soundscapes und markerschütternden Rhythmen des aktuellen Longplayers den Knaben gehörig ins Gebein fahren.

"Angor" ist aber kein weiterer dissonanter Klangbrocken, der achtlos in die Musiklandschaft geworfen wurde. Vielmehr ist  das neueste Werk eine vielschichtige Angelegenheit geworden. Basis bildet ein ungeschliffener Sound strombasierter Klangerzeuger, der stets an der Schmerzgrenze angesiedelt ist. Dieser wird aber immer wieder neu justiert. Da dürfen bei "Perfection" die Beats auch schon mal schön rhythmisch vor sich hingrooven, während röhrige Bässe und schneidende Snares die Szenerie durchkreuzen und der Musiker mit verfremdeter Stimme unidentifizierbare Wörter von sich gibt.

Bei "Shrouts Of Cries" finden sich in den Synthielinien sogar so etwas wie eine Melodie wieder, die aber vom Staub und Schmutz, den die Rhythmussektion aufwirbelt, ordentlich eingedeckt wird. Hauptsächlich dominieren jedoch der Klang wild gewordener Maschinen. Das wird im selbsterklärenden "Machinery's Deconstruction" besonders deutlich. Man fühlt sich wie in einer Stahlfabrik, in der unermüdlich auf glühendes Eisen geschlagen wird.

Obgleich "My World Collapses" in seiner gedanklichen Ausrichtung ganz anders angesiedelt ist und sich auf innere Apokalypsen konzentriert, kann man gerade in diesem Stück von seiner klanglichen Ausarbeitung sehr viel aus den Anfangstagen der Krupps raushören. Thorofon lässt hier auch ein ähnliches Stahlgewitter auf seine Hörerschaft zu wie weiland die Düsseldorfer in ihrer Frühphase. Man hat sogar das Gefühl, dass sich Courtman kurzerhand das Stahlofon von Jürgen Engler geborgt hat, um es für seine Zwecke zu nutzen. "Stahlwerksinfonie reloaded" sozusagen. Es ist eines der markantesten Stücke auf diesem Album, das auch sonst nicht mit Höhepunkten geizt.

Insbesonders die Spannung zwischen analogen Sounds und aktueller Produktion sowie die Vielschichtigkeit seiner Songs verleihen dem Album eine ungeahnte Tiefe, die vom psychotischen Duktus des Frontmannes getoppt wird. Hier ist alles Beklemmung, aber im alles zersetzenden, von schwerfälligen, dem Niederwuchten eines Vorschlaghammers auf einen Amboss gleichenden Sound von "Build On Rotten Skulls", beginnen die gewohnten Liedstrukturen, sich vollends aufzulösen und Platz zu machen für eine apokalyptische Endzeitstimmung, in der nichts mehr sicher ist, außer das Ableben in kürzester Zeit.

Das Album ist die konsequente Fortsetzung des letztjährigen Vorgängers "Gladio" - als "Gladio Angor" veröffentlicht das Label Ant-Zen sogar beide Werke zusammen als tönernes Diptychon. Das macht durchaus Sinn, da der paranoide Kosmos der Alben beim zäsurlosen Hören erst richtig zur Geltung kommt und einem bewusst wird, wie das eine Werk auf das andere aufbaut. Thorofon gehört mit zum Besten, was die Angstpop- und Industrialszene momentan zu bieten hat.