Tony Wakeford kann's nicht lassen! Als ob der umtriebige Mr. „Sol Invictus“ nicht schon mit zahlreichen Nebenprojekten (u.a. Grey Force Wakeford, Trio Noir, L'Orchestre Noir, Hawthorn) ausgelastet wäre, hebt er nun gemeinsam mit Andrew King sowie ausgewählten „Familienmitgliedern“, u.a. Renee Rosen, Guy Harries, John Murphy (u.a. Knifeladder, SPK, Death in June, Shining Vril) oder Kris Force (Amber Asylum), ein weiteres namens The Triple Tree aus der Taufe, dessen Debut „Ghosts“ niemand geringerem als dem britischen Ghoststory-Autor M.R. James (1862-1936) gewidmet ist. Bereits das James-Zitat „Depend upon it! Some of these things are so, but we do not know the rules!“ auf der Rückseite des Booklets deutet die Marschrichtung an: Festgelegte Regeln kennt man hier nicht, und schon gar nicht die des Neofolk. Folglich sollte man sich der Scheibe exakt unter diesem Gesichtspunkt nähern, denn „Ghosts“ ist abgedreht, „Ghosts“ ist schaurig und „Ghosts“ verlangt dem Rezipienten zeitweise einiges an Toleranz ab. Sägende Geigenläufe, diffuse Feldaufnahmen, schräge Flöten-/Pfeiftöne, dumpfe Percussions sowie viele weitere Soundelemente, oft subtil disharmonisch zusammengefügt, erzeugen eine Atmosphäre, welche den Hörer direkt in James' gespenstische Szenarien zu führen vermag, in staubige Bibliotheken, schmutzige Hinterhöfe oder düstere Gemäuer des viktorianischen England. Die Stimmen von „Dr. Wakeford“ und „The Rev. King“ tun dazu ihr übriges. Während „The Mezzotint“ oder „Lost Hearts“ in schlichtem Erzählstil dargeboten werden, kommt „The Stalls“ als altertümlicher Kanon daher und „Black Crusade“ scheint von beiden direkt in einer Kaschemme der Londoner Docks eingesungen worden zu sein. Doch „Ghosts“ ist auch berückend schön. Neben dem durch gezupfte Gitarre und markante Männerstimmen fast erhaben wirkenden „Three Crowns“ sind es hauptsächlich jene Titel, in denen die beteiligten Damen Autumn Grieve, Kris Force oder Mercy Liao gesanglich zum Zuge kommen. Dabei kristallisiert sich vor allem das perlende Duett „The Malice of Inanimate Objects“ als Höhepunkt heraus. Aber selbst dieses ist von einer unheilsschwangeren Aura umgeben, da die Lieder ständig durch schrille Versatzstücke gebrochen werden, die sich entweder als Intros/Outros oder komplette Tracks einschleichen. Genau das richtige, um die Gruselstimmung immer wieder zu entfachen. Trotz alledem kommt jedoch eine typische Eigenschaft der Inselbewohner nicht zu kurz, der Humor. Im Booklet präsentieren sich die beiden Protagonisten nämlich launig, wie direkt aus einem der schauerlichen Romane entsprungen. Schrullige Fotos für ein ebenso schrulliges und gerade deshalb fesselndes Album. M.R. James wäre sicher stolz gewesen!