Rekapituliert noch irgend jemand, was er gerade gemacht hat, als vor 18 Jahren ein schwedischer Zahnarzt seine Bohrer gegen ein Mikro tauschte? Keiner hier hat doch ernsthaft darüber nachgedacht, deshalb die 200jährige Waffenruhe mit Schweden zu beenden! Warum also sollte sich an dieser Gelassenheit etwas grundlegend ändern, nur weil sich jetzt herausstellt das einer aus dieser Gegend das With-Teeth-Album mit sehr viel mehr Hingabe hörte als irgend jemand sonst... David Sundqvist heißt der Knabe, welcher uns mit seinem Debütalbum METAL HEART verklickert, dass man nicht zwangsläufig ein aus Cleveland, Yorkshire oder Essex abgewanderter Alternative-Poser sein muss, um THE KICK zu sein! Rein oberflächlich betrachtet, ist ein Quantum Ähnlichkeit mit Trent Reznor nicht von der Hand zu weisen. Etwas jugendlicher, bulimischer... Halt ein rotzig düsteres male model von der authentischen Sorte. Die kleinen Indie-Mädchen werden ihn mit Sicherheit totaaaaaal niedlich finden & ihre dreckigsten Träume sich, wie schon bei Mando Diao, mit Plüsch-Elchen oder den Highlights der Ikea-Werbung paaren. Ich fürchte gar, die Deutschen müssen ihr fast unanständig positives Bild von den Schweden mal ernsthaft überdenken... Auch weil eine Lederjoppe & der angelsächsiche Name seiner Heimatstadt Göteburg - GOTHenburg, nicht automatisch eine Eingliederung in diese inzwischen ziemlich breite Trend-Schublade bedeuden kann. Wer seit 2007 vehemment die Idee weiterverfolgt, die eingängigsten Momente des With-Teeth-Albums zu manifestieren... sich dabei ganz wie in den good ol’ days die Sneakers pimpte & wahrhaftig das Pleasure Principle der Tubeway Army verstanden hat... ist eine coole Sau mit durchaus ordentlicher musikalischer Früherziehung & trotzdem Pop! Lediglich der zielsichere Verzicht auf Kitschmomente & jene Unfähigkeit die hellen Aspekte des Alltags zu artikulieren, verhelfen hier zu einem Startplatz in der Underground-Liga. Musikalisch führt zudem der erste Teil vom Namen des Albums ein wenig in die Irre. Passendere Deko-Elemente würden Glam-Pop, Industrial-Pop & Pop-Core in der Beschriftung aufweisen. Okay, auch seine Fähigkeit raue eckige Energie mit dunkler Dramatik zu selbstzündenden Pathosbomben verschmelzen lassen, differenziert THE KICK erheblich von Roxette, Europe oder Ace Of Base... Der Opener "Game", der in seinen ersten Momenten an die bombastische Klaviatur eines Gary Numan erinnert, fährt plötzlich ordentlich ab & Trent Reznor krallt sich das Mikro... Stop! Nochmal von vorn. Numan-Synthie, rasiermesserscharfes 90er-Riff & dann das Wasabröd-crispe Organ von David Sundqvist. Der Knabe würde selbst im Schlaf noch weltweit jeden Reznor-sound-alike-Contest gewinnen! Unheimlich! Kein Funken Parodie dabei... & so läuft das nun bis zum Schlussakkord. Die artgerechte Haltung des Instrumentariums nebst perkussivem Geschraddel garantiert diesen Halo-Effekt gleichfalls im spröden "Freak", im dröhnenden "My Darkest Hour" & dem druckwellenartigen "Answers". Aus "Let It Be" wurde keine Verbeugung vor Paul McCartney... die musikalischen Credits gehen hier leichtfüssig an Vince Clarke & Bobby Orlando. "Voices" & "This Town" frischen indes alte Erinnerungen an die balladesken Seiten Reznors auf, jedoch ohne eine Spur Verschwörungs-Wahnsinn. Sundqvist bleibt ein Alltagszyniker & diesem Wesenszug haben wir wahrscheinlich auch "White Light", mit abbaesker Neigung zu Harmoniegesang nebst Plastic-Pop aus der Villa Kunterbunt, zu verdanken. Möglich wäre hierbei auch ein unkontrollierter Flashback in jene Zeit, als er sich mit dem schwedischen Pendant unserer Alida Lauenstein unter dem Namen Kitty & The K, erst einen Konsonaten erspielen konnte. Doch "The Hours" versöhnt zum Schluss wieder & je länger es rotiert, desto mehr öffnet Sundqvist sich. Wabbernde Synthiewände gehen eine unheilige Allianz mit richtig amtlichem riffing ein & verhelfen so zum ersten selbstbewussten Selbstgänger. Mindestens so schön wie ein Volvo Amazon, muss man gleich nochmal abspielen... Das Angenehme hieran ist, dass die einfachsten Rezepte manchmal am besten funktionieren. Wenn man METAL HEART attestiert, wie ein Remake zu klingen welches es spielend schafft der Sicht auf Reznor ungewohnt poppige Seiten abzugewinnen, ist das wahrlich kein schlechter Leumund. Zumal Sundqvists Gespür für die kleinen Indie-Mädchen, jenen bei jedem 2ten Track, eine Gänsehaut garantiert. Ich persönlich hätte mir THE KICK noch etwas persönlicher, etwas bissiger & schräger gewünscht. Das kommt sicher noch... wie hoffentlich auch eine Fortsetzung des Konzert-Doppels THE KICK + CLIENT. Sollte ja schliesslich jeder im Saal etwas zum anhecheln haben ;-)