Wer das Pech hatte, am vergangenen Freitag beim Zappen durch die Fernsehprogramme ausgerechnet beim Switch über RTL von der Batterie verlassen zu werden, konnte Oliver Geissen beim Versuch zusehen, eine TV-Show über die „Größten Synthie-Pop Hits“ zu moderieren. Von der Musik an sich hatte die schnodderige RTL-Allzweckwaffe natürlich keine Ahnung, doch zur Kompensation dessen platzierte er illustre Gäste neben sich – die ebenfalls keinen blassen Schimmer von synthetischen Klängen hatten und stattdessen überflüssige Bemerkungen zu Metal und Hardrock-Klängen einwarfen. Wie in quasi jeder Musiksendung im deutschen Fernsehen hatte sich der Freund elektronischer Klänge indirekt dafür zu entschuldigen, „zurück geblieben“ zu sein und keiner „ehrlichen“ Rockmusik zu frönen. Dazu passte, dass ausgerechnet Vorzeige-Synthie-Popper wie Roxette oder Faithless auf der Bühne performten und damit den letzten Rest an Glaubwürdigkeit von der Mattscheibe röhrten. Auch wenn es an der Öffentlichkeit komplett vorbei schrammelt, es gibt sie noch, jene Synthie-Pop-Bands, die eine breitere Hörerschaft verdient hätten. Kraftwerk-Fans dürften an dieser Stelle umgehend auf das schwedische Duo System verweisen, das beim grandiosen Label Progress Productions unter Vertrag steht und dort jüngst sein bereits viertes Album „Circle of infinite radius“ veröffentlichte. Angetrieben von minimalistischen Beats und einer digitalisierten Stimme, die einer monotonen Ausgabe von Mind.In.A.Box. gleichkommt, bleiben die beiden Herren A und B ihrem Stil treu – mit geringen Mitteln und leider auch wenig Abwechslung, äußerst eingängige Popsongs zu produzieren. In ihrer naiven Schlichtheit erweckten die Stücke anfangs eher Mitleid beim Rezensenten, der dem sterilen Soundspektrum jedoch eine zweite Chance gab und nachträglich durchaus Gefallen an der fiepigen Retro-Offensive fand. Denn wenn System etwas perfekt beherrschen, dann den straighten Wechsel zwischen monotoner Strophen und Ohrwurm-Refrains, die man auch zwei Tage nach dem ersten Hörvergnügen noch annähernd fehlerfrei nachblubbern kann. „True Loyalty“ und „Adapt and Overcome“sind zwei Beispiele für kompositionelle Cleverness, die System einen hohen Wiedererkennungswert sichern. Einen weiteren Pluspunkt sammeln die fleißigen Skandinavier für die instrumentalen Parts in „You or me“ oder „Pitch Black“, bei denen der Gesang eher störend wirkt. Eine Topwertung ist dennoch nicht drin. Allzu oft beschleicht mich als Hörer der Eindruck, die Band könnte aus ihren Ideen bessere Ergebnisse produzieren, wenn sie sich denn mal vom starren Konzept der verfremdeten Vocals lösen würde. Das Soundbild kommt auf Albumlänge relativ ermüdend daher, Gastsänger oder neue Vocodereffekte würden hier schnell für Abhilfe schaffen. Zugegeben, die Unverwechselbarkeit wäre bei teilweiser Abkehr vom „unique retro analog-feel“, wie es im Pressetext über die Band heißt, dahin. Doch hätten es die guten Kompositionen, die tollen Melodien und die nicht ganz dummen Texte verdient, von ausdrucksstärkeren Stimmen vorgetragen und begleitet zu werden. „Nära Kollaps“, ein Track auf der Bonus-CD, die den ersten 200 Exemplaren des Albums beiliegt, setzt diesbezüglich dank Gastsängerin Anna-Karin Andersson neue Maßstäbe. Oliver Geissen wird es egal sein – mir aber nicht: System, habt Mut zur Veränderung!