63 Jahre ist Tommi Stumpff geworden, Glückwunsch nachträglich. Nun steht am 19.03.2021 also die Veröffentlichung des neuen Werkes "Alles Idioten" an. Musikalische Pfade beschreitet Tommi seit den 70er Jahren. In den 80er Jahren machte er sich einen Namen, indem er Punk mit Elektronik-Strukturen verflocht und so einen neuen Sound erschuf, der seinen Höhepunkt im Jahr 1989 mit der Veröffentlichung von "Ultra" fand. "Massaker" ist auch heute noch ein Begriff in der Szene. Nun folgte eine lange Phase der Abkehr von der Musik. Erst im Jahr 2015 gründete er die Band "Stumpff", mit der er nun wieder regelmäßig auftritt. "Alles Idioten" stellt, nach einigen Re-Releases, wieder neues Material zur Verfügung. Die EP umfasst 6 Titel, die ich mir nun zu Gemüte führen werde.

Es geht los mit dem Titeltrack. Ein Drum läuft in die Falle, die von vielen Gitarren gestellt wurde. Der Track klingt irgendwie breiig und die Stimme kann kaum dagegen ankämpfen, man muss schon ganz genau zuhören, um wirklich alles zu verstehen. Ansonsten ist es leider so, dass der Titel zwar ganz nett nebenbei laufen kann, aber im allgemeinen recht uninspiriert daherkommt. Mich überkommt ein wenig das Gefühl, dass man hier ohne die Gitarrenschrammelei viel mehr hätte herausholen können. "Geh sterben" eröffnet schon klassischer. Und dann kommt wieder die Gitarre. Der Track ist etwas schneller, jedoch fällt hier extrem auf, dass die Samples alle etwas dünn gemischt sind. Und die Gitarre kleistert wieder alles zu. Der Gesang passt jedoch schon etwas besser zur Gesamtheit. Bei "300 Tote Teil 2" empfängt uns wieder ein recht witziges Elektroniksample. Jetzt erinnert mich der Song aber richtig an die 80er. Hier stimmt auch mal die Abmischung zwischen Gitarre und dem Rest. Das ist schon wesentlich gefälliger, da das Setting harmonischer anmutet. "Frohes Fest" ist dann ein kleiner Punksong mit Elektronikanleihen. Tommi versucht sich als böser Weihnachtsmann. Das treibt ziemlich und macht so zwischendurch auch Spaß. Der Gesang in den Strophen klingt etwas unmotiviert. "Gnade dir Gott" ist mal wieder so ein Fall, bei dem die Gitrarre alles irgendwie kaputt macht. Denn der Grundtitel klingt eigentlich ganz gut. Der Drumpart, mit ein paar Variationen im Synth hätte hier vollkommen ausgereicht. Mit "Stranglehold" liegt dann noch ein englischsprachiger Song vor. Das Original ist ein Klassiker von Ted Nugent. Im Cover von Stumpff gefallen mir Drum und treibender Synthbass. Doch dann haben wir wieder die Gitarre. Im Original ist diese ein Beispiel für virtuosen und beispielhaften Einsatz der Möglichkeiten dieses Instrumentes. In dieser Coverversion klingt das Gitarrenspiel einfach nur vorschulmäßig und uninspiriert, sorry. Rein elektronisch hätte auch das Cover besser funktioniert. 

Ich muss sagen, selten habe ich eine derart unausgegorene Mischung erlebt. Ich mochte teilweise die Ideen und Grundthemen. Die Ansätze waren wirklich vielversprechend. Aber dann hat dieses Gitarrengeschrammel alles kaputt gemacht. Ich weiß nicht, wer auf die Idee gekommen ist, aber die Stücke hätten das echt nicht gebraucht. Wenn man sich daran versuchen möchte so etwas wie NDH zu produzieren, dann muss man das auch richtig und bombastisch machen. Hier klingt es einfach, wie schlecht gemachter punkrockiger Minimal-Elektrosound. Ich finde es schade, dass ich nichts Besseres schreiben kann, denn Tommi hat es wirklich mal echt drauf gehabt. "Alles Idioten" ist einfach nur der Versuch extrem viel miteinander zu verbinden, aber nichts davon richtig zu machen. Und dabei kommt eben alles viel zu kurz. Die Programmierung von Sounds geht im Jahr 2021 wesentlich besser und die Gitarren, wenn man sie denn unbedingt braucht, hätten wesentlich akzentuierter gesetzt mehr Sinn ergeben. So ist es einfach nur ein breiiger Mix, der nicht mal ein Abklatsch von früheren Veröffentlichungen ist. In den 80ern hat Tommi auch noch wesentlich enthusiastischer gesungen. Hier klingt alles wie nach 2 Kisten Bier und, weil man eben schnell nach Hause will, noch fix ins Mikro gerotzt. Ein wenig erinnert mich die Covergestaltung an ein Filmplakat für "Iron Sky", dass damals 2012 im Umlauf war. Am Besten kann man das auch so beschreiben. Ich hatte von dem Film Großes erwartet, beim Sehen war ich dann ziemlich enttäuscht. Ungefähr so ergeht es mir auch mit "Alles Idioten". Lieber Tommi, ich denke, mit 63 kann man sich auch auf alten Heldentaten ausruhen und muss nicht auf Gedeih und Verderb den eigenen Mythos zerstören.

Erhältlich ist "Alles Idioten" auf Vinyl, CD und als Download