Eine sensible, beinahe zerbrechliche Atmosphäre. Eine warme, besonnene, vom Bass durchdrungene Melodie, die zum Schwelgen und Einsinken verführt. Seichte, melancholische Klänge, wie warme Schauer, die sich quer über den Rücken ausbreiten. Eindringlich die markante Stimme der niederländischen Sängerin Marie-Claudine Vanvlemen, die mit jedem einzelnen Ton präzise in das Mark des Hörers trifft, ihn einhüllt, auf eine metaphysische Ebene einlädt, fesselt, ihm erzählt, ins Ohr flüstert. "You can tell me anything", singt sie in dem Song, der das Album des Electronic Jazz Duos Strange Attractor eröffnet. – "Ja, erzähl mir alles und noch mehr", möchte man ihr spontan zurückgeben, denn von dieser bezaubernden, Raum füllenden Stimme möchte sich das aufmerksame Ohr nur ungern wieder lösen. "Anything" entpuppt sich als überraschend starker, beeindruckender Opener, der die Erwartungen an die noch ausstehenden neun Songs steigen lässt. Die beiden Niederländer Niels Van Hoorn und Richard Van Kruysdijk können die beim ersten Hören geweckten Erwartungen Song um Song erfüllen. Ihr Konzept dabei ist eigen, ihre Umsetzung unkonventionell. Für den Hörer bedeutet dies, dass "Mettle", das zweite Album des Projekts, ein anspruchsvolles Werk geworden ist, dessen Titel nie lieblos oder ideenlos klingen und ebenso wenig berechenbar sind. Zur Vielfalt und Abwechslung tragen nicht nur der Gesang von Marie-Claudine, sondern auch die Vocals und Lyrics von Graham Lewis (Wire), Richard Sinclair, David J. (Bauhaus) und Winston Tong (Tuxedomoon) bei, der als musikalischen Beitrag ein Charles Baudelaire-Gedicht übersetzt und interpretiert hat. Man muss kein Fan von Jazzmusik sein, um sich dem Album von Strange Attractor zu nähern. Man muss ein Faible für ätherische Sounds und verwobene Melodiegeflechte mitbringen und natürlich auch die nötige Offenheit, sich von Strange Attractor, den Gastmusikern und ihren Ideen verführen oder mitnehmen zu lassen. Gerade zu letzterem lädt "Mettle" Titel für Titel ein und beschert dem Hörer die Garantie für ein feines, sensibles Kopfkino, das selbst nach dem Anhören noch eine Zeit lang bleibt. Als Anspieltipps sind der verführerische Opener "Anything", das über Beziehungsenden philosophierende, melancholische "Evaporate", das vertrackte, dunkle und überraschende "Sleaze", das bassige "Plain Gold Ring" mit einer bezaubernden Kombination aus Saxophon und umspielendem Gesang oder die vertonte Baudelaire-Interpretation "Quietude" sowie das siebeneinhalb Minuten lange Instrumental "Snail" zu empfehlen. Fazit: "Mettle" ist ein wunderschönes, zu vielen Stimmungen passendes Album mit Künstlern, die man "so" vielleicht nicht erwartet hätte.