In einem nicht näher benannten Musikmagazin, welches doch über einige Jahre hinweg meine primäre Inspirationsquelle in Sachen harter Musik gewesen ist, wurde über die Zeit hinweg eine, wie ich finde, recht zweckmäßige Tradition gepflegt: Veröffentlichungen, die schon die Rezensenten zu polarisieren vermochten, bedachte man mit "Plus-Minus-Reviews"; sprich: Zwei Reviewer kommentierten und bewerteten diesselbe Platte, was bisweilen auch schon mal dazu führte, daß einem Album im gleichen Atemzug höchste wie auch niedrigste Wertung zuteil wurden, der potentielle Hörer also zumindest angehalten war, das jeweilige Werk vor einem eventuellen Kauf doch erst einmal einer etwas genaueren Hörprobe zu unterziehen... Warum ein Review so beginnen? Ganz einfach: Gerade läuft zum wiederholten Male "Mehr als 1 Gesicht", die Debüt-Veröffentlichung von STIMMKRAFT, durch meinen Player, und ich pendle zwischen Lob und Verriß, unentschlossen, was der CD nun besser zu Gesicht stehen möge. Beginnen wir also erst einmal mit Positivem. Vor allem anderen bleibt festzuhalten, daß Andreas Buttler, treibende Kraft und augenscheinlich im Studio einziger Musiker hinter STIMMKRAFT, mit dem vorliegenden 12-Tracker ein ausgesprochen persönliches, intimes Werk erzeugt hat. Ganz gleich, ob man die enorm umfangreiche Dankes-Liste im CD-Cover liest, ob man sich Songs wie "Frei Für Immer" (ein Lied des Maestro für seinen Sohn), "Giganten" oder "Mach's gut" hernimmt - man hat den Eindruck, der Antrieb hinter dieser Musik ist Auseinandersetzung mit, die Verarbeitung von Gedanken, Gefühlen, Sorgen, Lasten, mit denen sich ihr Erschaffer im alltäglichen Leben auseinandersetzt und die in dieser Art und Weise kanalisiert, kreativ umgearbeitet, freigesetzt werden. Solches ist grundsätzlich allen Lobes wert in einer Zeit, in der Musik leider viel zu oft als ein steriles, künstliches Produkt uninspirierter Geschäftemacher und als solches bar jeglicher Emotionen und Inhalte erscheint. Dies funktioniert auch in vielen Situationen richtig gut, insbesondere dann, wenn sich STIMMKRAFT an heftigeren Klängen versucht. Dann, bei Songs wie "Steh auf", "Angst", dem musikalisch durchaus gelungenen Westernhagen-Cover "Sexy" oder auch, in Ansätzen, "Giganten", lebt die Musik von Andreas' durchaus überzeugendem Gesang, cleverer Instrumentierung irgendwo zwischen tanzbarer Elektronik, Gothic und Rock und einem druckvollen, energischen Sound, der, laut konsumiert, durchaus zu begeistern, mitzureißen, zu überzeugen vermag. Andererseits... ...andererseits ist wiederum das Verarbeiten bestimmter Emotionen in Musik, insbesondere wenn sich die Musiker in balladeskere Gefilde vorwagen, ein Balance-Akt zwischen Kunst und Kitsch, zwischen Klängen, die intensive Stimmungen transportieren oder erzeugen, und solchen, bei denen die Stimmigkeit recht schnell verlorengeht irgendwo inmitten einer technisch anspruchsvollen, aber völlig überdimensionierten Produktion. Dies ist ein negativer Aspekt, den man an "Mehr als 1 Gesicht" schon während des ersten Hörens zu erkennen vermag - rein vom musikalischen Standpunkt betrachtet wirken Balladen wie "Frei für immer", "Was ist wenn" oder "Heim nach Eden" eigentlich nur überproduziert, seicht und an vielen Stellen hart an der Grenze zum Abdriften in die Pop- oder gar Schlager-Ecke. Das ist enorm schade, weil darunter das Bild des Albums als solches empfindlich leidet, und weil zum anderen die große, keyboardlastige, orchestrierte Produktion für die Songs gar nicht erforderlich wäre; Andreas Buttler leistet als Sänger auch hier durchaus gute Arbeit, und im Falle der benannten Tracks wäre weniger definitiv mehr, wäre eine Instrumentierung etwa nur mit Akustik-Gitarre oder Piano der Stimmung entschieden zuträglicher gewesen. Alles in allem ist es schwierig, zu einem Fazit zu finden. Für einen Verriß sind Tracks wie "Steh auf", "Giganten", "Unter Wölfen" oder auch "Sexy" musikalisch viel zu stark, steckt an vielen Stellen einfach erkennbar zuviel Herzblut und Engagement in diesem Werk. Andererseits verpufft, wie umrissen, insbesondere die Wirkung der balladeskeren, ruhigeren Parts der CD weitestgehend, sorgt dafür, daß sich die "Skip"-Taste des CD-Players noch ein bisschen mehr abnutzt. Wer sich, ganz grob orientiert, mit Musik im Stile von Rammstein, späteren Witt-Werken oder Megaherz anfreunden kann, möge sich zwecks Probehören an den Händler seines Vertrauens wenden, ebenso all jene, die unter der Prämisse, ein sehr persönliches Werk in ihren Besitz bringen zu können, auch willens sind, über die stellenweise erkennbaren musikalischen Schwächen hinwegzusehen / - hören. Bilanzieren wir also: Fünf von sechs für die Momente, in denen das Album richtig zu überzeugen vermag, knapp einen Zähler für jene Augenblicke, in denen das Werk nur schwer zu ertragen ist, dazu einen kleinen Bonus, weil ich in STIMMKRAFT genug Potential vermute, um die angedeuteten Tiefpunkte auf einem Folgewerk durchaus zu überwinden - damit landen wir bei dreieinhalb von sechs Zählern. Sehen wir 'mal, was die Zukunft zu bringen vermag...