Eine absolut krasse Idee: Einfach mal Folk machen, so richtig Wanderklampfe satt. Gut, wenn man mehr als zehn Akkorde kennt, aber für das Debüt-Album reichen auch weniger, solange das Gesamtpaket passt, oder? An was könnte man sich den thematisch abarbeiten? Was passt zu Wanderklampfe? Zu Folk? Natur, ja, perfekt. So das Verhältnis Mensch-Natur. Noch besser. Und natürlich die großen Themen: Spiritualität, Leben und Tod. Und damit willkommen beim Debüt von By the spirits, einer ganz und gar nicht visionären Compilation älteren und neueren Materials des Polen Michal Krawczuk. Wobei älter 2016 bedeutet, dem Geburtsjahr des Projektes.
Auch Heimatverbundenheit wird in Polen nicht nur politisch groß geschrieben, Krawczuk sieht die "mystic woods of the Lower Silesian region near the ancient Sleza mountain in Poland" als Inspirationsquelle und ich frage mich vor allem zwei Dinge: Welcher Wald wurde eigentlich noch nicht als mystisch benannt und warum kann man seine Naturverbundenheit eigentlich am Besten mit unfassbar künstlich klingendem Keyboardmatsch unter Beweis stellen? Und dann auch noch fast immer eine Klangeinstellung aus dem Spektrum maximal-künstlich-verträumt. Dieser Retortenzauber ist neben dem immer gleichen Geschrabsel auf der Klampfe der zweite Stützpfeiler des Albums. Ich bin beeindruckt von so viel naturidentischen Klängen und da man quasi nie von anderen Dingen abgelenkt wird (das erste an Percussions erinnernde Klock-Klock aus der Konserve bei Lied 5, huiii) kann man sich dem Zauber voll und ganz hingeben. Nun komme ich aber zur großen Enttäuschung für jeden Neofolk Fan: Krawczuk kann recht gut singen. Ich weiß, passt gar nicht in den Reigen der Töne-knapp-verfehler, er versucht es auch mit Macht zu verstecken, indem er mehrheitlich sonor und schwer melancholisch vor sich hin singt, aber wenn er mal nicht aufpasst, wie bei "Holy mother" geschehen, dann wird die Stimme variabel und ergreifend. Passiert aber nicht zu oft, man will sich ja noch Steigerungspotential für kommende Releases lassen.
Ich hatte schon Singles mit 9 Remixen im Player, die abwechslungsreicher waren als das hier Gebotene. Da rettet eine Narkolepsie auslösende Coverversion eines Coil Songs rein gar nichts und wenn By the spirits wirklich weitermachen wollen, dann bitte mit einem variabel singenden Krawczuk am Mikro, der die Gitarre an jemanden abgegeben hat, der dem Gerät wenigstens zwei oder drei Akkorde mehr entlocken kann und dazu Gastmusiker, die ihre Naturverbundenheit mit authentischen Klangerzeugern beweisen können. Und vielleicht ein wenig Drumming. Muss nicht, hilft aber manchmal beim wach bleiben. Und Melodien,... Oh ja, bitte Melodien, die nicht wie eine Sammlung der nettesten Einschlafhilfen wirken. Und einem Coverartwork, dass nicht nach Naturmystik für Einsteiger wirkt: Schädel? Check! Kerze? Check! Räucherstäbchen? Check! Bilderrahmen? Warum eigenlich nicht? Und dann diese Requisiten hinaus in die Natur tragen, um sie dann vor pittoresker Waldkulisse auf einen Beistelltisch zu drapieren. Wer macht den sowas? Und warum? Bitte gehen sie weiter, es gibt hier nichts (Gutes/Neues/Erwähnenswertes) zu hören.