Eine Weile musste ich über "The Spiral Sacrifice" sinieren. Sogar eine ungewöhnlich lange Weile. Anna Varneys neuester Streich hinterlässt bei mir auf nahezu jeder Ebene einen ambivalenten Eindruck und ich musste mir einige Gedanken machen, um wirklich in Worte fassen zu können, welcher Gesamteindruck nun entstanden ist. Es fing bereits mit einer ungewöhnlichen Anbahnungsphase an: Ein über Crowdfunding finanziertes Sopor Aeternus Album. Ich bin mir bis jetzt nicht sicher, wie ich das System ansich finde. Im speziellen ist aber gerade bei Sopor Aeternus ein solcher Schritt eventuell konsequent, aber doch verwunderlich, denn in meinen Augen bleibt Anna Varney zwar trotz aller visueller und lyrischer Offenlegung ihres Seins vor allem in ihren Fotobänden immer noch dieses astrale, geisterhafte Wesen - die Musikerin dahinter präsentiert nur das, was sie präsentieren möchte und ein wirklicher Austausch zwischen ihr und "der Welt" ist nicht gewollt. Crowdfunding funktioniert aber nur durch Austausch, Lust machen, persönlicher werden: der Spender gibt Geld für ein Produkt, von dessen Qualität er sich in keinster Form bei Bezahlung überzeugen kann und möchte dafür Interaktion und das Gefühl, Teil der Familie zu sein. Da reicht das Angebot, den Namen im Booklet abzudrucken in meinen Augen nicht.

Aber vielleicht ist das "nur" die neue Anna Varney und ich wünsche mir die alte Zeit zurück? Wie dem auch sei, die Finanzierung verlief äußerst schleppend, eventuell auch, weil man die bekannten Plattformen mied und "selbstgemacht" über Fantotal sammelte, und eine Weile glaubte ich schon das Projekt dem Untergang geweiht. "The Spiral Sacrifice" ist eine musikalische Rückkehr in die Phase von "The inexperienced spiral traveller" und der EP "Voyager" aus dem Jahr 1995 - Veröffentlichungen, mit denen Anna Varney eigener Aussage nach haderte. Ihre Unzufriedenheit mit dem Werk aus dieser Zeit äußerte sie deutlich, nun wollte sie diesen Makel anscheinend gesunden. Doch ich mochte "The inexperienced spiral traveller" von Beginn an und mir fällt es (gerade bei einem für mich so wichtigen Projekt wie Sopor Aeternus) schwer, eine Gesundung eines in meinen Ohren nie kranken Werkes mitzutragen. "The Spiral Sacrifice" ist aber keine schnöde Neuaufnahme, sondern eine Nacherzählung aus der Gegenwart betrachtet und eine Zusammenführung mit der "aktuellen Anna Varney". Das Ergebnis sind 19 in weiten Teilen instrumentale Stücke, die nach einer modernen Version des natürlichen Klanges älterer Werke klingen.

Diese Rückkehr aus elektronisch-poppigen Gefilden hatte sich bereits bei "Poetica" und "Mitternacht" abgezeichnet, nun aber ist es ganz deutlich. Das liegt aber wohl auch daran, dass der Hörer sehr viel Zeit hat, den Instrumenten zu lauschen, denn wirklich mitreißen kann "The Spiral Sacrifice" mich nicht einen Moment. Es ist ein ganz wunderbares Album, um nebenher etwas zu arbeiten, ich höre es seit Wochen gerne im Hintergrund.... so richtig nach Lob klingt das aber nicht, oder? Und wenn ich dann mal mit Kopfhörern bewaffnet die volle Aufmerksamkeit auf eines meiner Lieblingsprojekte richte, bin ich eigentlich sogar enttäuscht. Das Foto-Buch. Oh ja, das Foto-Buch. Einer der großen Höhepunkte einer jeden Sopor Aeternus Veröffentlichung. Bis heute in meinen Augen absolut perfekt bei "Le chambre d'echo" schlug die Begeisterung mal mehr mal weniger Wellen, auf meine Vitrine mit all den Gimmicks schaue ich aber immer gerne und unsere Gäste sind rechtschaffen verzückt/-schreckt. Mitternacht war zu letzt ein wenig zu Standart-Sopor, das Cover von "The Spiral Sacrifice" hingegen läd mich sofort ein: ein großartiges, skuriles Artwort, Anna Varney tanzend und morbide glücklich - ganz großes Tennis.

Ich beginne aufgeregt zu blättern, und zu blättern, ... und zu ..... Naja, da sind dann eben zig "Schnappschüsse" aus ein und der selben Sequenz - das kann man nun als animierten Tanz sehen, durch das Format kann ich leider nicht wirklich sagen, ob es als Daumenkino taugt und es sieht auch gut aus (wobei einige Bilder wirklich eher nach Zufallsaufnahmen aussehen), aber eigentlich ist es ein einziges Motiv in vielen Haltungen und eine recht magere Belohung für den willigen Sammler. Ja und nein eben.... wie an so vielen Punkten. Und zum Ende hin muss ich kurz den schnöden Mammon erwähnen: Für mich ist es vollkommen in Ordnung, für Sopor Aeternus deutlich mehr hinzulegen als für andere Bands, ist das Projekt doch ein wunderbares Gesamtkunstwerk. Poetica bewies vor nicht allzuwenig Jahren auch noch, dass es sich lohnt, auch wenn die kleinen Dreingaben wohl ein Ding der Vergangenheit sind und (noch einmal) "La chambe d'echo" unerreicht bleibt (Buch, Postkarten, Schreibfeder, Grabschlaufe, Lesezeichen - es war unglaublich.

Jedoch ist "The Spiral Sacrifice" selbst für Soporverhältnisse arg teuer und wenn dann auch noch nur das Album mitsamt einem Buch, in dem zigmal das gleiche Bild zu finden ist, in der Post liegt, dann schreibe ich deutlich mit Grummeln im Bauch. Es zündet nicht so richtig. Es gab Veröffentlichungen, die ich weniger mochte, aber selbst in dem für mich absolut enttäuschenden Gesamtpaket "Children of the corn" fand sich ein abwechslungsreicheres optisches und haptisches Angebot und ein persöhnlicher Lieblingstitel ("Bis zum Hahnenschrei"). "The Spiral Sacrifice" hat viele tolle Ansätze, verspricht mit seinem Cover und dem fantastischen instrumentalen Fundament so vieles und .... dann passiert eigentlich nichts mehr. Weder musikalisch noch auf irgendeiner anderen Ebene. Schade!