David Thrussel ist sicher einer der Exoten im elektronischen Underground. Zum einen weil es nicht viele relevante Bands aus Down Under gibt und er mit SOMA, Black Lung und eben Snog direkt mehrere an den Start bringt. Zum anderen ist er konsequent in Sachen Gesellschaftskritik und immer wieder für eine Überraschung gut. Aktuell sorgt ein Interview mit den belgischen Kollegen von Side-Line für Aufmerksamkeit, in dem er behauptet, dass die der US Army nahe stehende Behörde Darpa ihm den Auftrag gegeben hat, ein Black Lung Album für ihre Zwecke aufzunehmen. Riecht nach einer Ente, sorgt für Aufmerksamkeit und stiftet Verwirrung. Was genau nach dem Geschmack des Australiers sein dürfte. Seine Band Snog ist ebenfalls außergewöhnlich. Gestartet vor zwanzig Jahren als Electroact auf dem Berliner Machinery-Label und damit in guter Gesellschaft von namhaften Bands wie And One, Dance Or Die oder Oomph!, enthielt das Debüt „Lies Inc.“ mit dem Song „Corporate Slave“ den größten (weil auch einzigen echten) Clubhit der Bandgeschichte und mit „Submit, obey, marry und reproduce“ ein typisches Thrussel-Motto. Jetzt also „Last Of The Great Romantics“. Mit einer ganzen Reihe von Gastmusikern und Produzenten, darunter das Prager Philharmonieorchester, gibt es ein abgefahrenes Potpourrie der Gesellschaftskritik. Schon die Verpackung, bzw. das Booklet in der Optik einer Anleitung für elektronische Gadgets ist ein Gedicht. Musikalisch hat sich der Sound in den zwei Dekaden mehrfach gewandelt und auf dem aktuellen Output ist die Mischung ebenfalls krass. Den Opener nennt die Plattenfrima zu Recht eine Space-Rock-Ballade, aber es gibt mit „A Man“ auch wieder eine Art elektronische Countrysong-Persiflage oder mit „The Prisoner Song“ einen – allerdings zumindest anfangs dann doch grenzwertigen – Gospel-Electro-Song. Die großartigen Momente sind „Wargasm“, das balladeske, bittersüße „Sleepwalk“ und das mitreißende „Cosmic Caveman“. Ein weiterer Höhepunkt ist „The Fires“. Hier zeigt David Thrussel, wie locker er Melodien und Hooklines aus dem Ärmel schüttelt und wie gerne er diese dann doch wieder zerstückelt. Hier und auch in „Big Black Hole“ sind durchaus Anleihen bei Nine Inch Nails zu erkennen. Während musikalisch Welten zwischen der aktuellen Scheibe und „Lies Inc.“ liegen, so sind textlich doch einige Parallelen zu finden. Wurde 1992 neben dem „Corporate Slave“ auch der „Real Wise Yuppie“ und sein Porsche besungen, wird 2010 die Abhängigkeit von der modernen Technik angeprangert („A Man“). Und so hält einem der australische Hans Dampf in allen Gassen wieder den Spiegel vor Gesicht. „Last Of The Great Romantics“ ist ein dichtes und besonderes Werk. Nicht eingängig, natürlich nicht wirklich clubtauglich und auch ohne einen echten Hit. Aber das erwartet von Snog 2010 auch niemand mehr wage ich zu behaupten. Ich erwarte eine spannende Instrumentierung, Abwechslung und Überraschungen. Und meine Erwartungen werden erfüllt. Trotz ein paar kleiner Hänger ist diese Reise in das Snog-Universum eine Empfehlung für alle Fans und neugierige Elektroniker.