Anfang 2003 startete mit „Schattenreich – das Sonic Seducer Magazin“ bei Onyx.tv die erste bundesweite schwarze Musiksendung. Schnell wurde um das Format und die „Marke“ Schattenreich eine Vermarktungsmaschinerie gewoben. Diverse Sampler, Bücher und DVDs folgten, Moderatorin Medusa wurde zum Publikumsmagneten als DJane und jetzt folgt der nächste Geniestreich: Schattenreich – Die Hörspielserie. Meine letzten Erfahrungen um und mit Schattenreich waren eher ernüchternd und so war ich besonders gespannt auf das Experiment Hörspiel. Seit Kindertagen bin ich großer Fan der vertonten Geschichten und Justus, Peter und Bob gehören noch immer zu meinen großen Helden. Nun war ich neugierig, ob auch Schattenreich echte Helden bieten kann, rechnete aber eher mit einem plakativen und hanebüchenen Spektakel. Umso schöner ist es, wenn man dann noch überrascht werden kann… Die Geschichte die auf Folge 1 „Die Nephilim“ ihren Anfang nimmt, ist spannend, wunderbar mysteriös erzählt und subtil. Die Hörspielreihe dreht sich um den jungen Kulturwissenschaftler Christian Wagner. Zurück in seiner Heimatstadt wird der Protagonist in eine Serie von Ritualmorden verwickelt und sieht sich von seiner Vergangenheit eingeholt. In seiner Jugend war Wagner Mitglied einer Gruppe Hochbegabter, die sich Titanen nannten. Nach und nach werden nun alte Freunde Wagners ermordet und enthauptet aufgefunden; mit einem Tattoo am Fuß – dem Zeichen der Nephilim, dem bösartigen Abbild der Titanen. Wagner wird immer mehr in einen Strudel aus Realität, Vergangenheit und Fantasie gezogen. Der Hörer wird von einer Perspektive in die andere gelenkt, ohne genau ahnen zu können, wann Realität und Fantasie sich vermischen. Das Schattenreich legt sich über Wagner und neben kleinen Spielereien mit (großen) Klischees gibt es auch den (versuchten) erotischen Hauch einer Orgie. Die Geschichte spinnt sich zunehmend spannend und logischer zu einem Gesamtbild, das jedoch nicht klar gezeichnet, sondern der Gedankenwelt des Hörers überlassen wird. Genau im richtigen Moment endet dieses Hörspiel…dem Hörer bleibt nämlich nur eins: Folge 2 zu kaufen und sofort weiter den Irrungen und Wirrungen Wagners zu lauschen. „Die Nephilim“ ist schön inszeniert. Die Sprecher mit wirklich guten Stimmen ausgestattet, die Erfahrung bringen sie ja schließlich auch mit: Alexander Scheer als Christian Wagner (Scheer ist bekannt geworden mit dem Film „Sonnenallee“); Sandra Speichert als seine Ex-Freundin und Polizistin Alexa Voss und Volker Brandt als Dr. Bruno Schwab (Brandt ist die Synchronstimme von Michael Douglas – für alle, die sich gewundert haben, woher ihnen die Stimme so bekannt vorkommt). Auch Dero von Oomph! bekommt als hagerer bleichgesichtiger Fremder einen kleinen Einsatz. Bestandteil des Konzepts ist auch die musikalische Untermalung mit szenetypischen Sounds, die die Atmosphäre untermauern. Bands wir Zeraphine, XPQ-21, Combichrist und [:SITD:] finden Platz auf Folge 1. Hier komme ich jetzt zu meinem einzigen Kritikpunkt: die technische Umsetzung dieser Einblendungen ist teilweise schlecht gelungen. Die Lautstärkenunterschiede sind bisweilen erschreckend und beim Hören über Kopfhörer ziemlich unangenehm. Die Abmischung muss da noch deutlich harmonischer werden. Schlussendlich bin ich von „Die Nephilim“ alles in allem wirklich positiv überrascht und werde mir sofort Folge 2 zu Gemüte führen.