Keine Frage, auch ich beklage mich oftdarüber, dass so wenig Neues oder zumindest Mutiges veröffentlicht wird. Dann ist Rummelsnuff ja genau das Richtige für mich. Denn das was hier geboten ist, ist wirklich anders und vor allem konsequent. Roger Batist, der Macher von „Sender Karlshorst“, lässt seit ein paar Jahren die Kunstfigur Rummelsnuff für sich sprechen, ohne seine persönliche Vergangenheit völlig zu verschweigen. Und scheint auch irgendwo zwischen aufgeschlossenen, neugierigen Anhängern der schwarzen Szene und dem Kreis der Oldschool-EBM´ler ein Zuhause gefunden zu haben. Die Zuneigung Letzterer hat seine Wurzeln sich auch in der Band Automatic Noir, in die Roger lange involviert war und Songs wie das Duett „Vollnarkose“. Wohin das führen kann, zeigen die einschlägigen Internetportale. Die live dargebotene Coverversion von „Don´t You Want Me“ im Duett mit Claus Larsen (AE) ist wirklich speziell. Da werden sogar Medien wie Spex, der Spiegel oder Polylux aufmerksam. Wobei teilweise seiner „Rolle in der Schwulenszene“ mehr Platz eingeräumt wird, als der Musik des ehemaligen Mitglieds der ostdeutschen Band Freunde der italienischen Oper. Auf dem zweite Rummelsnuff Album „Sender Karlshorst“ kommen verschiedenste Musikstile in elektronischem Gewand daher und Geschichten über Autos, Sport oder die See werden vertont. Dabei ist der eigenwillige Gesang Rogers immer dominierend. Und ich vermute, dass er zu stark polarisiert, um auf uneingeschränkte Zustimmung zu stoßen. Der Opener „Der Heizer“ ist noch am ehesten „normaler“ Electro, auch wenn die mir vom Sampler „Electronic Body Music“ bekannte AE-Version noch stärker in diese Richtung geht. „Freier Fall“ macht als Single Sinn, da die treibenden Gitarren hier für ein recht eingängiges Musikstück sorgen (inklusive Video). Es hilft, nein es ist eine Voraussetzung, sich auf Rummelsnuff einzulassen. Dann kann man einiges entdecken. Höhepunkt sind meiner Ansicht nach der Song „Stalinallee“, der Erinnerungen an Laibach weckt, oder das leicht triefende „Wolgastrom“. Selten kann man Vergleiche heranziehen. „Eindruck schinden“ könnte mit seinem augenzwinkernden Text auch And One-Hörern gefallen. Andere Songs sind einfach Rummelsnuff. Das beschwingte, nach Rockabilly klingende „Donnerbolzen“ oder „Pumper“, welches immer wieder von Blasmusik unterbrochen wird. Diese kommt auch beim etwas grenzwertigen „Boxerlied“ zum Einsatz. Leichte Schwierigkeiten habe ich, wie so oft, mit den Coverversionen oder dem finalen „Hombres Hombres“. Auf Albumlänge ist „Sender Karlshorst“ für mich eine Herausforderung. Nicht umsonst gibt der muskelbepackte Wahlberliner seiner Musik den passenden Namen „Derbe Strommusik“. Es fällt mir schwer, diese Platte nachvollziehbar zu beschreiben oder einzelne Lieder aus dem Album-Kontext hervorzuheben. Und auch in der Bewertung bin ich hin und her gerissen. Denn wie gesagt geht Rummelsnuff in Richtung Kunst. Und da zählt nun mal oft das Gesamtwerk. Leider habe ich diese beeindruckende Erscheinung nie live gesehen. Damit würde das Bild wahrscheinlich abgerundet werden und ich würde vielleicht tieferen Zugang finden. So bin ich nett unterhalten, freue mich über die erfrischende Herangehensweise, aber final überzeugen kann mich die Sendung aus Karlshorst nicht. Aber eine Chance sollte man der „Antwort auf die metrosexuellen Schlaffies“ (Zitat Polylux) auf jeden Fall geben.