Autsch, das tat weh! Tja, so kann’s gehen, wenn man wie ich notorisch am Abgrund steht. Da hatte ich mich mal wieder, neugierig wie ich bin, gefährlich weit über die lockende Kante gelehnt, da donnert mir die Unterwelt persönlich aus der Tiefe das aktuelle Reaper-Album an den Kopf. Mal kurz verwundert die Augen – und natürlich die Schläfen – gerieben, bin ich ein wenig aus der Fassung geraten, schließlich ist dieser Silberling in Bezug auf das VÖ-Datum nicht mehr brandheiß, sondern schon leicht erkaltet. Habe ich mir durch den Kontakt mit der legendären "Angst-EP" (08/2005) bereits gehörig die Finger verbrannt und kräftig Blut geleckt, ist die Spannung und Erwartung entsprechend groß, was das hochgelobte Debüt "Hell starts with an H" betrifft. Da wir es hier mit Musik für die Tanzbeine und nicht fürs Köpfchen zu tun haben, denke ich also besser erst gar nicht intensiver darüber nach, was der Worttitel einem sagen möchte – man könnte es vielleicht als eine "korrekte Feststellung" bezeichnen – und gehe direkt in medias res. Respektable 17 Tracks hat Vasi Vallis, unermüdlich und umtriebig wie eh und je, auf die CD gepackt, inklusive sechs Remixes von bekannten Acts wie Painbastard, Schallfaktor oder XP8. Als ob diese dicke Zugabe nicht schon genug wäre, wartet auch "Hell starts with an H" wieder mit musikalisch versierten Gästen auf, die für große Augen und offene Ohren sorgen: Mark Jackson (VNV Nation), Johan van Roy (Suicide Commando) und die "Elchjäger" von NVMPH lassen grüßen – Staralarm ist angesagt! Ob wohl aufgrund deren Rekrutierung so viel Zeit zwischen der "Angst EP" und dem Debüt verstrichen ist? Nach einem unheimlichen, leichte Panik heraufbeschwörenden filmmusikalischen Intro gibt es schon kein Halten mehr. "Urnensand" hat alles, was ein höllischer Club-Kracher braucht: gnadenlos fette Beats und Bässe und ein von weiblicher Stimme vorgetragener Reim, der – ist man mit schwarzem Humor gesegnet – schlichtweg als verdammt cool zu bezeichnen ist. Freakiger als "Eckstein, Eckstein, alles muss versteckt sein …" ist das allemal! Ordentlich einen drauf setzt allerdings der Remix der deutschen Industrial-Newcomer SAM (Synthetic Adrenaline Music). Ohne Vocals und ziemlich cyberlike mit einem unbarmherzigen Rhythmus wummert es hier aus den Boxen. Den gewissen epischen Touch hingegen bekommt das Stück beim nicht weniger toughen Remix von Painbastard. Neben dem bereits bekannten Clubsmasher "Totengräber" in der 07-er Version hat es auch "Weltfremd" von der EP auf das Album geschafft – mit neuem und ziemlich gutem Konzept: So ist hier nicht nur Johans Stimme zum vertrauten Sound zu hören, der Text selbst stammt vom Suicide Commando-Track "Cause of death: suicide". Bei den übrigen Tracks fährt die Begeisterung allerdings Achterbahn: Titel wie "Das Grauen" (inkl. eingebautem Gitarrensound, der keiner ist), "Twisted Trophy Hunter (feat. Mark Jackson)", "Altum Silentium" oder das mit ideenlosen Mönchsgesängen versetzte „Ancient Tragedy“ sowie "Robuste Maschine" wirken erschreckend eintönig und konturenlos. Keine Frage: Jeder Titel knallt heftig und sorgt für den nötigen Schub auf der Tanzfläche, der letzte Kick fehlt allerdings. Nach mehrmaligem Hören scheinen sich die Songs unschön in die Länge zu ziehen, einige von ihnen sind einfach leider einen Tick zu simpel gestrickt. Lediglich "Memento Mori" vermag mit seiner griffigen Melodie noch zu überzeugen. Während "Execution of your mind" – nomen est omen – in der Original-Version fast schon nervtötend ist, haben Modulate kurzerhand an ein paar Reglern gedreht und ein wenig mehr Abwechslung hineingepackt – eine 100%ige Rettung ist das allerdings nicht. Dafür können NVMPH mit ihrem Remix von "Twisted Trophy Hunter", der mit Mark Jackson nicht so ganz funktioniert, schwer punkten. Fiese distortion vocals und die typische Härte und Aggressivität des Schweden-Sounds machen diesen Titel zum Top-Kandidaten des Albums. XP8 haben hier ebenfalls den Vorschlaghammer ausgepackt und liefern einen lauten, technoiden Brecher ab. Für die Clubs ist „Hell starts with an H“ wahrlich ein Segen, einige Titel werden zur Dauerrotation verdammt sein. Ein (heimisches) Durchhören am Stück ist jedoch etwas beschwerlich und wirft hier und da doch wieder die Sinnfrage auf. Bei mir macht sich inzwischen ein untrügliches Gefühl der Leere breit. Vielleicht sollte ich mich einfach noch ein Stückchen weiter über die verlockende Kante lehnen?