‚Amnesiac’ war sicherlich so etwas wie ein Schicksalswerk für Radiohead, nachdem ‚Kid A’ viele Fans der ersten Stunde vor den Kopf gestoßen hatte. Als bekannt wurde, dass das Album zur gleichen Zeit wie ‚Kid A’ mit dem gleichen Produzenten im gleichen Studio aufgenommen wurde, machte sich offensichtliche Nervosität breit! Unberechtigt… Denn auch wenn man den eher experimentellen Strukturen nicht vollständig den Rücken kehrte, setzt ‚Amnesiac’ wieder stärker auf Songstrukturen und erinnert dabei teilweise sogar ein wenig an ‚The Bends’ oder ‚OK Computer’. ‚Knifes Out’ bspw. ist ein klassischer durch Akustik-Gitarren dominierter Radiohead Song der deprimierend schön vorgetragen wird, wie man es einfach nur von einem Thom Yorke kennt, auf einem Level auf dem ein Chris Martin nie landen wird, aber der hat ja schließlich andere Qualitäten! Ebenso beeindruckend mit im Gegensatz zu ‚Kid A’ hier nun koordiniertem Bläser-Einsatz überzeugt ‚Life in a Glasshouse’ und ist damit die richtige Darbietung für eine verrauchte Kellerbar in New York mit schummrigem Licht und gebrochenen, Whiskey-schlürfenden Seelen, die nicht zu würdigen wissen, was sie dort gerade dargeboten bekommen. Als Zugabe gibt es das bluesige ‚Pulk/Pull Revolving Doors’. Schön! Einfach schön! Und noch schöner dass es die Full Version von ‚Glasshouse’ auf die Bonus CD geschafft hat. Neben weiteren sieben B-Seiten liefert die zweite CD in Ergänzung zur Bonus-Disc von ‚Kid A’ Songs des Canal+ Gigs aus dem Jahre 2001 und gleich der erste Beitrag, ‚You and Whose Army?’ zeigt Radiohed in Bestform. Leicht nöhlend wie immer aber weit weg vom Gitarrenrock des letzten Jahrtausend setzen Radiohead hier komplett neue Akzente durch multiplen Instrumenteneinsatz und vielschichtiger Unterstützung. Die leicht psychedelischen Flanger-getrimmten-Gitarren erledigen das Übrige. Hört man genauer in die B-Seiten hinein, so erkennt man, dass hier offensichtlich die Sperrigkeit des Vorgängerwerkes ausgebootet wurde und sich in Songs wie ‚Fast-Track’ oder ‚Transatlantic Drawl’ wieder findet. Positiv zu erwähnen ist hierbei das elektronisch ambiente ‚Wollywort’, bei dem Thom Yorke eindeutig seine neu gefundene Liebe zur Musik aus dem Synthesizer bekennt. Amnesiac schafft es anscheinend verloren Gegangenes wieder zu beleben ohne dabei den Fortschritt und die Weiterentwicklung der Band aus den Augen zu verlieren. Schade ist, dass das inzwischen standardgemäß vorhandene künstlerische Artwork auf 12x12 Zentimetern Platz haben muss und nicht in DinA5-Größe im stoffgebundenen Buch wie bei der original limited Edition präsentiert werden kann. Aber die hat man als Liebhaber schöner Editionen sowieso im Plattenschrank stehen…