Das Review der vorliegenden CD „The Tendency to vanish“, ging ich höchst motiviert an, handelte es sich doch hierbei einerseits um ein Debüt (immer sehr reizvoll), andererseits um „melodiösen Synthiepop“, wie das Presseinfomaterial versprach – also genau mein Ding. „Orpheus in Red Velvet“, so der unprätentiöse Name der Ein-Mann-Band des Musikers (Os)mium, welcher bereits als Keyboarder bei Plastic und Diary of Dreams Erfahrungen sammeln konnte, legen mit der in Eigenregie produziert und vertriebenen CD-R ihren ersten Longplayer vor, der auf die vier Jahre alte EP „Strange Behaviour“ folgt und stilistisch dort ansetzt, wo besagter Appetizer aufhörte.

So erwarten den melodieliebenden Hörer dreizehn Songs voller eingängiger Akkordfolgen, treibender Beats, melancholischer Balladen und einem kleinen aber feinen Schlagereinschlag, den insbesondere die beiden deutschsprachigen Songs „Für einen kurzen Augenblick“ und „Silberstreif“ verkörpern. Aber da mich derlei „Funken von Zuversicht“, so eine Textzeile aus letzterem Track, schon bei Melotron nicht stören, bleibt speziell „Silberstreif“ nachhaltig im Ohr hängen und stellt an Position 4 das erste Highlight der Scheibe dar. Dagegen wurde der Einstieg ist mit dem getragenen „Transient“ nicht sonderlich glücklich gewählt, auch die beiden nachfolgenden Uptemposongs können das Feuer der Begeisterung noch nicht entfachen. Dies ist jedoch alles kein Problem, denn der Silberstreif entpuppt sich nicht als singulärer Hoffnungsschimmer, sondern als Startschuss für etliches höherwertiges Liedgut.

Da wäre zum Beispiel das radiotaugliche „Without Reason“, dem die groovige Ballade „Incapable“ folgt. Auch das Radiohead-Cover „Karma Police“ sowie das Industrial-angehauchte Instrumental „Not Born Human“ können überzeugen und reichern das synthetische Menü um sattsam abwechslungsreiche Kost an. Mit „Make A Difference“ wird dann schließlich auch die Future-Pop Fangemeinde befriedigt, während „Indifferent“ dann das Tempo etwas rausnimmt . Mit „Reminiscence of a past“ spart sich ORV das Highlight des Albums bis kurz vor Schluss auf. Mit donnernden Beats unterlegt, pfeffert sich das dunkel angeschwärzte Stück Electropop direkt auf Platz 1 meiner internen Album-Hitparade. Eine richtig starke Clubhymne, bei der (Os)mium seinem Gesang einen Schuss Aggressivität verleiht und damit perfekt mit der druckvollen Bassline korrespondiert.

„The tendency to vanish“ wird man natürlich selbst mit viel gutem Willen kein großes Innovationspotenzial attestieren können, auch genügt die Produktion nicht den allerhöchsten audiophilen Ansprüchen, doch wer endlich mal wieder ein lockeres, unverkrampftes Synthiealbum ohne störende „Weiterentwicklungsrechtfertigungsinstrumente“ (Gitarren) hören möchte, der sollte unbedingt in das ORV-Album reinhören. Für faire 9,00 € ist es direkt über die Band zu erwerben und bietet zumindest ab Track 4 einen preiswerten – weil keinesfalls wertlosen – Hörgenuss.