Fortwährende Popularität, wie beispielsweise Depeche Mode sie hat, waren Orchestral Manoeuvres In the Dark (OMD) nie beschieden. Und das, obwohl sie zu den Gründungsvätern der elektronischen Popmusik zählen und auch eine neue Generation von Musikern, die vielleicht als Kinder beim Stöbern im elterlichen Plattenschrank auf sie aufmerksam wurden, beeinflusst haben. Man höre sich einfach mal "This Fractured Mind" der noch jungen amerikanischen Band Nation Of Language an.

Vor allem ihre ersten Alben "Orchestral Manoeuvres In The Dark", "Organisation" (beide 1980) und das stilprägende "Architecture & Morality" (1981, darauf enthalten "Maid Of Orleans") zählen immer noch zu den schönsten Werken synthesizerbasierter Musik. Andy McCluskey und Paul Humphreys verleugneten ihre Liebe zu Kraftwerk zu keiner Zeit, lieferten aber ihre ganz eigene Interpretation ab. Einem Stück wie "Electricity" ist die textliche wie musikalische Liebe zu Kraftwerks "Radioaktivität" implementiert worden. Allein McCluskeys alertes Organ verleiht den kühl-synthetischen Kompositionen eine menschliche Wärme, wie sie bei den Düsseldorfern nie vorkommen würde.

Doch im Laufe der 1980er änderte sich der Sound der beiden immens, wurde kommerzieller und weichgespülter. Zwar hatten OMD noch einige kleine Charterfolge - vor allem in Deutschland - aber der Stern der Synthie-Popper sank ziemlich schnell. Was folgte, ist kurz erklärt: Humphreys verließ OMD, McCluskey machte alleine weiter, mit zeitweiligem Erfolg ("Sailing On The Seven Seas" von 1991 hat sich überraschend als stabiler Radio-Song erwiesen). Insgesamt konnte man aber sagen: Orchestral Manoeuvres In The Dark waren nur noch ein Schatten ihrer selbst.

Bis schließlich 2005 die Band in Urbesetzung McCluskey, Humphreys und Malcolm Holmes anlässlich der Fernsehsendung "Die ultimative Chartshow" auftrat und dort auch verkündete, wieder gemeinsam Musik zu machen. Mit Pauls Wiedereinstieg - und angetrieben von Andys Kindern, die ihren Vater drängten, wieder Musik wie "früher" zu machen - fand OMD zum alten, rein elektronischen Sound zurück, den sie natürlich in die Neuzeit verfrachteten.

Nach "History Of Modern" (2010), "English Electric" (2013) und "Punishment Of Luxury" (2017) gehen OMD bei "Bauhaus Staircase" auf Tuchfühlung mit Gesellschaftskritik. "Anthropocene" zeichnet mittels Voicesampling und kraftwerk'schem Drumprogramming ein düsteres Menschenbild, das sie mit dem Halb-Instrumental "Evolution Of Species" weiterführen, während ein stringenter Beat wie der unbarmherzige Lauf der Zeit anmutet, in dem alles Werden und Vergehen stattfindet - auch das unserer Spezies. "Kleptocrazy" befasst sich indes mit maroden Demokratien, die von politischen Selbstdarstellern schamlos ausgenutzt werden. Man darf diese Nummer als nachgeschickten Seitenhieb der beiden Briten auf Boris Johnson werten, während sie musikalisch in die Nähe ihres Songs "Enola Gay" schippern, allerdings mit etwas mehr Rockattitüde.

Selbstreferenz ist übrigens ein typisches Stilmittel von "Bauhaus Staircase". "Slow Train" erinnert in seinem Shuffle-Beat entfernt an bereits erwähnte Nummer "Sailing On The Seven Seas" und "Don't Go" ist im Aufbau der Strophen an "Messages" angelehnt. Ob das nun ein kompositorisches Sicherheitsnetz ist, das treue Fans triggern soll, mag nicht beurteilt werden. Letzten Endes fällt es auch nicht weiter ins Gewicht, denn die Zitate sind dezent verstreut und schmälern den Hörgenuss dieser Nummern nicht.

Allerdings verliert das Album in Momenten, in denen OMD ins balladeske Fach wechseln, an Spannung. "Look At You Now" beispielsweise ist schon arg schlageresk ausgefallen, auch "Veruschka", das bereits im Vorfeld zusammen mit dem Titelsong veröffentlicht wurde, lässt einen etwas ratlos zurück, weil das Stück nicht ins Gesamtkonzept von "Bauhaus Staircase" passen will und den faden Beigeschmack eines Lückenfüllers besitzt. Mit dem abschließenden "Healing" deuten die beiden Mittsechziger an, wie schwofige Elektronik funktionieren könnte. Ihr Metier ist und bleibt jedoch die schnelle Nummer, die zum tanzen animiert.

Das 14. OMD-Werk ist sicherlich nicht das schlechteste (so schlimm wie das blutleere 1996er Machwerk "Universal", wo McCluskey ungelenk auf der Britpop-Welle ritt, kann es ohnehin nie mehr werden), aber im Kontext ihres gesamten Oeuvres geriert sich "Bauhaus Staircase" zu einem respektablen Alterswerk mit ausgeprägter Gesellschaftskritik, das aber teilweise in zu seichte Fahrwasser gerät. Besser als die letzte Scheibe von Depeche Mode ist sie jedoch allemal.