Der in Paris wohnhafte Frédéric Garcia aka Niveau Zero hat spätestens mit der Auszeichnung als "Best Electronic Newcomer" auf dem Printemps De Bourges-Festival, welches sich primär auf neue Talente konzentriert, internationale Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Der virtuose Genre-Jongleur steht nun an vorderster Front der französischen Dubstep-Szene und hebt sich hervor durch die Kombination von Einflüssen aus Metal (er begann seine musikalische Laufbahn als Bassist in Hardcore-Bands), Hip Hop, Dubstep, Electro und Breakcore. 2009 nahm er u.a. am Maschinenfest teil und es erschienen seine ersten EP's und Remixes, z.B. eine Kollaboration mit Matta und Remixes von Broken Note und Detritus. Damit war die Initiation in die Ad Noiseam-Familie vollführt und mein favorisiertes Label präsentiert nun mit "In_Sect" sein Début-Album. Der titelgebende Opener belegt dann auch direkt die Eklektizität seines musikalischen Hintergrunds, indem zunächst Film-Samples über einem Metal-Riff laufen, welches auf ein höheres Frequenzband reduziert wurde. Der einsetzende Beat folgt zunächst einem Dubstep-Rhythmus, der sozusagen das Grundgerüst der meisten Stücke dieses Albums darstellt, allerdings folgen, wie eben auch hier, immer wieder zahlreiche Breaks und Stil-Ausflüge. So folgt in "In_Sect" auf einen relativ kurzen Dub-Exkurs ein Stakkato-Beat, bei dessen Anschlägen jeweils auch das Metalriff wieder eingesetzt wird, was zusammen eine relativ aggressive Stimmung kreiert. Ominöse Flächen erschaffen an anderer Stelle zusammen mit dem begleitenden Gitarren-Geschrammel eine beklemmende Atmosphäre. Happy-Go-Lucky-Lieder sind auf dem gesamten Album nicht zu finden, eher das Gegenteil, die Stimmung ist durchgehend relativ unheilvoll. "First" ist unter Mitwirkung des frz. DnB-Produzenten The Unik entstanden, lässt sich schon einfacher als Dubstep-Nummer kategorisieren und lebt von der elaborierten LFO-Arbeit. In Anbetracht der darin enthaltenen "Dark City"-Samples frage ich mich, wie oft dieser Film eigentlich schon auf diese Weise zitiert wurde. "My Dog" lässt sich auch primär dem Dubstep zuordnen und bietet unterhaltsame Basslines, zeigt aber schon stärkere Variation im Rhythmus, d.h. es wird streckenweise temporeicher bzw. die Beats sind dichter gepackt. "Revolution HXC" ist in meinen Ohren das schwächste Stück auf der Platte, was aber nicht am instrumentalen Teil liegt, der wieder sehr basslastig und abwechslungsreich (die ausgiebigsten Gitarren-Parts auf der Platte) ausgearbeitet wurde, sondern an den MC's. Ich hätte einen Rapper bevorzugt, der etwas mehr mit Stimmlagen und Flow arbeitet, anstatt nach Beastie Boys-Manier den Beat zu zershouten. Da harmonisieren die Vocals von Ill Smith und dem aus Südafrika stammenden Ben Sharpa wesentlich besser mit Garcia's Kompositionen. Hecq übernimmt beim Remix von "Evil League" die verspielt-abgehackte Bassline, lässt aber einige der schrilleren Soundeffekte des Originals heraus und konzentriert sich auf den rhythmischen Teil, und tut scheinbar sehr gut daran, denn es gefällt mir etwas besser als das Original. Mein Favorit auf "In-Sect" ist das Stück "I Believe In ...", welches mit düsterem, treibendem Dubstep startet und gelungen in einen "4 to the Floor"-Electro-Kracher überführt wird. Dieses Untier liefert mit die fettesten Drops die ich bisher gehört habe. "Keep The Bass Going" schallt dazu zwischendurch aus den Boxen und verbalisiert meine Empfindung beim Hören. Das darauf folgende "Icon" ist passenderweise wieder mehr auf Dub-Aspekte fokussiert. Eine brummende, warme Bassline, chillige Percussion und hypnotische Tonläufe dezenter Synths lassen dem Hörer Zeit zum Herunterkommen. Der Remix von Broken Note's "War in The Making" war auch schon als Beitrag auf dem Maschinenfest-Sampler 2009 zu hören und bringt die Panzerketten-Walze dem Original gleichwertig zum Ausdruck, erscheint aber temporeicher bzw. schiebt teilweise etwas mehr nach vorne und weist mehr industrialisiertes Sounddesign auf. "Gracilicornis" ist auch wieder ein gelungener Hybrid mit ausgeprägtem Electro-Anteil, enthält Joker-ähnliche Synths und sogar ein paar Growls, liefert aber nicht soviel Energie wie "I Believe In ...". Mit "Hyperlord" klingt das Album letztendlich sehr ruhig aus, es wird zwar ein immer noch treibender Beat serviert, aber keine schrille Effekthascherei wie manchmal zuvor. Alles kommt sehr lässig herüber, der sehr ruhige und tiefe Sprechgesang von Ill Smith ergänzt sehr gut das Freude bereitende Bass-Spektrum. Niveau Zero glänzt mit grösstenteils frischen Sounds und/oder Herangehensweisen und stellt sein vereinendes Talent eindeutig unter Beweis. Ein ideenreiches und damit auch abwechslungsreiches Début für Liebhaber von Bass Music bzw. allem, was stark rhythmusorientiert und bass-geschwängert ist, wobei der Sound partiell auch mit Industrial vergleichbare Züge annimt. Dabei funktionieren die einzelnen Lieder hervorragend, alle wirken in sich geschlossen und gehen nicht in unstrukturiertem, mit Breaks überlastetem Sample-Gewirr unter. Stattdessen sind sie (in meinem Fall mit Ausnahme von "Revolution HXC") in der Lage, ihre intendierte Wirkung zu entfalten, zu unterhalten, zu animieren oder auch zu beruhigen. An diesem Werk werde ich mich jedenfalls noch eine Weile satt hören müssen.