Sollte sie wirklich in die Kinos kommen, wäre das eine Sensation. Bis jetzt haben die Filmbosse aber die von Nick Cave geschriebene Fortsetzung von Gladiator abgelehnt. Schade, ein von Ridley Scott verfilmtes Drehbuch von Herrn Cave wäre sicherlich schön kurios gewesen. Zum Glück gibt es in diesen Tagen aber auch eine andere Möglichkeit, Nick Cave mit seinen Bad Seeds zu konsumieren und zwar in Form des zweiten Teils der Wiederveröffentlichungen ihrer alten Alben. Aus heutiger Sicht betreffen diese Wiederveröffentlichungen die Mittel-Phase der Band und damit die Alben "Tender Prey", "The Good Son" und "Henry's Dream". Drei Alben, die zu Zeiten entstanden, in der es sowohl in Nick Caves Leben als auch im Bandgefüge einige Veränderungen gab und das hört man den Platten mehr als deutlich an. Starten wir unsere Zeitreise im Jahr 1987 in Kreuzberg. Die Bad Seeds waren nach Berlin gezogen und während Nick Cave an seiner Novelle "And The Ass Saw The Angel" ("Und die Eselin sah den Engel") arbeitet, entstehen auch die ersten Texte zu "Tender Prey". Es ist anzunehmen, dass das damals geteilte Berlin seinen Anteil an der düsteren Atmosphäre des Albums hat. Auf "Tender Prey" gibt es einen Song, an dem sich das gesamte Album messen lassen musste: "The Mercy Seat". Ein fanatisch-religiöses Lied um einen Todgeweihten, der auf den elektrischen Stuhl wartet und dieses Los als seine Gnade ansieht. Orgelgejaule, Blixa Bargelds Geigengefidel und der oft im Duett vorgetragene Gesang verleihen dem Song etwas Hypnotisches und gleichzeitig Mitreißendes, was ihm unter anderem zu seinem Ruhm verhalf. Aber "Tender Prey" hat noch mehr zu bieten als diesen Song mit dem sich ständig wiederholenden Refrain. Das düster rollende "Mercy" zum Beispiel, dessen schrägem Gnadengejammer mit Mundharmonika und tiefen Klavierklängen etwas Bedrohliches anhaftet. Die Liebeserklärung an Berlin "City Of Refuge" ist ein weiterer kleiner Hit, allein durch den im Chor gesungenen Refrain. Zwischendurch tauchen immer wieder überraschende Wendungen auf, etwa das böse-lustige "Deanna" oder das rührselige Klavierstück "Watching Alice". Ein Song wie "Sugar Sugar Sugar" wäre ohne Nick Caves Stimme einfach undenkbar. Das Album lebt von seinem brodelnden, düsteren Charakter, davon, dass die Seeds noch herrlich schief sangen bzw. es mit dem Töne treffen beim Gesang nicht so genau nahmen: Nichtsdestotrotz hat sich die gesamte Band zum Vorgänger-Album "Your Funeral, My Trial" musikalisch weiterentwickelt. Nach "Tender Prey" verlässt Nick Cave Berlin und zieht nach Sao Paulo. Nicht ohne Grund, denn die Liebe zu Viviane Carneiro zieht ihn dorthin. Vorher versucht Nick Cave, von den Drogen los zu kommen und weist sich selbst in eine Entzugsklinik ein. Danach herrscht eine innere Leere in ihm, die erst durch einen Trip nach Südamerika zum Start der nächsten Tour wieder gefüllt wird, eben durch besagte Viviane Carneiro, die er während der Tour kennengelernt hat. Diese Umstände machen das folgende Album "The Good Son" von 1990 zu einem besonderen, für die Bad Seeds ungewöhnlich harmonischen Album. Es enthält die Liebesballade "The Ship Song", die fast als Popsong durchgehen könnte und nicht so recht in die Diskographie der Bad Seeds passt. Gleiches gilt für die Hymne "Foi Na Cruz", angelehnt an eine brasilianisches und protestantisches Lied, die eher nach Pfadfinder-Lagerfeuer-Atmosphäre klingt. Die oft religiöse Ausrichtung seiner Themen hat Nick Cave also beibehalten, was auch die Gospel-Elemente am Anfang von "The Good Son" erklärt. Gänzlich dem Gospel ergeben, hört man im "The Witness Song" das Händeklatschen hallen und die Orgel leiern. Auf dem Album ebenso enthalten ist das geniale Vater-Sohn-Duett von Nick Cave und Blixa Bargeld im "The Wheeping Song". Auf "The Good Son" behalten vier Lieder ihren Arbeitstitel, was die vier Titel mit "Song" im Namen erklärt. Mit dem Album verlassen Keyboarder Roland Wolf und Bassist Brian Tristan (Kid Congo Powers) die Bad Seeds. Zwei Jahre später erscheint 1992 mit "Henry's Dream" das nächste Album, das als raues Akustikalbum geplant war. Dieser Vorsatz ist der Band nicht geglückt, stattdessen wurde es ein Rockalbum mit akustischem Einschlag. Wie schon bei "Tender Prey" besitzt auch dieses Album einen extrem starken Eröffnungssong, "Papa Won't Leave You, Henry". Ein Lied, das durch die Akustikgitarre und Streicher einen dramatischen Zug an sich hat, der aber spätestens beim Refrain einer Mitgrölstimmung weicht. Die rockige Western-Atmosphäre des Albums ist vielleicht auch dem starken Zuwachs der Seeds aus Down Under geschuldet, denn Martyn P. Casey steigt als neuer Bassist ein und Conway Savage haut ab sofort in die Klaviertasten, beides Australier wie Chefbarde Cave. Das flehende Säuferlied "Brother My Cup Is Empty" mit treibender Akustik- und Westerngitarre und gelegentlichen Orgeltönen ist sowohl inhaltlich als auch musikalisch kaum noch zu überbieten. Seine Genialität beweist Nick Cave unter anderem auch bei Songs wie "John Finn's Wife", das über eine Minute sehr nüchtern klingt, dann durch den Einsatz von Streichern rührselig wird nur um kurz darauf mit dröhnendem Schlagzeug und Gitarren zu explodieren. Bei der Moritat am Ende, "Jack The Ripper", beweist Nick Cave noch einmal seine Kunstfertigkeit als Kruditäten singender Prediger. Nicht ohne Grund wurde "Henry's Dream" als bis dato bestes Nick Cave And The Bad Seeds-Album betitelt. Doch diese Beurteilung fällt rückblickend schwer. Allein schon zwischen den hier vorgestellten drei Alben muss man sich entscheiden, ob man es lieber düster, harmonisch oder treibend mag. Was könnte aber jetzt den geneigten Cave-Fan dazu treiben, sich die ohnehin im Regal stehenden Alben noch einmal zuzulegen? Natürlich die remasterte Version der Songs, gleichermaßen wie der 5.1 Surround Sound Mix, der auf der dieser Deluxe CD/DVD Collectors Edition beiliegenden DVD enthalten ist. Ein weiteres Argument sind die B-Seiten der Singles, die auf der DVD enthalten sind, ebenso wie die Videos zu den Songs. Wirklich interessant ist der auf jeder Collectors Edition mit einem anderen Teil vertretene Kurzfilm "Do You Love Me Like I Love You" von Iain Forsyth und Jane Pollard, bei dem sich Musiker, Produzenten und andere über die Band, die Musik oder die Entstehung des jeweiligen Albums äußern. Was will man also mehr? Klar, Herrn Cave wieder persönlich mit seinen Bad Seeds bei einem Konzert zu erleben. Aber bis dahin kann man sich mit diesen drei Alben und ihrem Zusatzmaterial die Zeit mehr als gekonnt verkürzen.