Aus Chicago stammen New Canyons und ich lerne sie mit dem hier vorliegenden dritten Output kennen. Doch was versteckt sich wohl hinter dem Cover, das sicherlich keinen Blumentopf von mir erhalten wird? Eine verträumte Mischung aus Dark Wave, Shoegaze, Elektro und Post Punk bieten die beiden Herren und auch wenn ich vielleicht nicht das Album des Jahres präsentiere, so ist ‚Heavy Water‘ sicherlich ein angenehmer Ohrenschmeichler auf 44 Minuten.

Der Stimmung, die das Duos erschafft, erinnert mich an Klimt 1918 oder Pencey Sloe – was wohl eher was über ein Genre aussagt, mit dem ich mich zugegebenermaßen schwer tue: Dieser traumähnlich diffus wirkende Sound des Shoegaze lässt eigentlich alles gut klingen, aber eben auch ungreifbar und frei von Kanten. Alles klingt irgendwie nett, oft leider auch nur nett. Dass New Canyons diesen Klang mit Musik verbinden, die gleichförmig melancholisch ist und die Rhythmik unnachgiebig vorantreiben lassen, erschwert mir den Langzeitspaß. Nehmen wir als erstes ‚Post nothing‘ – ich halte den Song im Kern für echt gut: Die fisseligen Gitarren, ein wirklich angenehmer Gesang und ein Refrain, bei dem ich mir sicher bin, dass er mit einem anderen Sound mitreißen könnte. New Canyons aber bügeln ihn glatt, die Drummaschine tuckert unbeirrt von Refrain oder Strophe durch und jedes Gefühl, das nicht schläfrige Sehnsucht ist, wird verhindert. ‚Blackest‘, ‚No shame‘, ‚The others‘ – alle Titel nett, alle sehr ähnlich, alle (mir zumindest) auf Dauer zu uninteressant. Es folgen die zwei Titel, die mir mehr Freude bringen: ‚Spirit‘83‘ ist etwas klarer programmiert, der Sequenzer düdelt fast schon ebm-ig daher, ohne die 80er Vibes zu verlieren und der Refrain könnte mit ein klein wenig mehr Bumms auch gut an einem Elektro/EBM Abend gespielt werden und zum Tanzen einladen. Eine ganz andere Geschichte ist es bei ‚Breathe‘, bei dem mich die Gitarren eher an alte Goth Rock Helden erinnern, Fields of the Nephilim oder Fair Sex kommen mir in den Sinn. Dazu eine schöne Gesangslinie und kein zu geradliniger Aufbau. Es folgen vier weitere „nette Nettigkeiten mit nett“ und ein Filler (anders kann ich ‚Savior‘ kaum wahrnehmen) und dann ist die knappe Dreiviertelstunde auch schon wieder rum, der Hörer erwacht ausgeruht und kann wieder mit richtiger Musik durchstarten.

Ich hatte mit anderen Vertretern des Genres etwas mehr Spaß, ich kenne aber auch einige Bands, die noch weniger Kanten in ihre Lieder bauen. Auf der Habenseite sehe ich die zwischen EBM und 80er pendelnde Elektronik, aus der man etwas mehr herausholen könnte, die wirklich netten Gitarrenläufe und den wunderbar androgynen Gesang. Jedoch störe ich mich an einer Produktion, die ausschließlich wirkt, als wäre sie unter Wasser aufgenommen worden und die zusammen mit dem programmierten Drumming jede gute Idee, jeden schönen Refrain glattbügelt. Das mag der Zielgruppe gefallen. Ich aber komme einfach nicht rein, auch wenn ich so einige Melodien heraushöre, die mir mit einem klaren Sound und etwas mehr Dramatik gut gefallen hätten. So bleibe ich unberührt und unbeeindruckt.

 

New Canyons

Heavy Water

 

30.04.2021

Feeltrip Records

 

https://newcanyons.bandcamp.com/album/heavy-water

 

01. Dark times
02. Post nothing
03. Blackest
04. No shame
05. The others
06. Spirit‘83
07. Breathe
08. Heavy water
09. Savior
10. Adult education
11. In extremis
12. Every city