33 Jahre nach Bandgründung lerne ich sie kennen: drei Herren im teilweise nicht ganz jungen Alter und eine deutlich jünger wirkende Dame, deren Iro so lang ist wie der Bart der Witze, die man zu diesem Setting machen könnte. Da mir aber die Stuttgarter Band selbst, ihr bisheriges Schaffen noch die Gegebenheiten bekannt oder wirklich wichtig sind, wie es zu dieser Zusammenarbeit kam, gehe ich auf das achte Album ein, das im März herauskam.

The Nerves holzen frisch und fröhlich drauf los. Ihr Sound ist (wenn wir vom dezenten Einsatz besonderer Instrumente wie Shakuhachi oder Rehab absieht) Punk Rock pur. Gitarre, Bass, Drums, drei Akkorde – Passt. Ich kann auch nicht wirklich sagen, dass sich das Album durch den Wegfall ebenjener asiatischer Instrumente wirklich verändern würde. Also Punk Rock. Schlicht und einfach. Muss ja nicht falsch sein, vor allem, wenn er so ausgelassen wie beim Opener und Titeltrack aus den Boxen hüpft. Da ist so gar nichts "Already dead", außer man spricht von Innovation. Das ist schmissig, geht super ins Ohr und in die Beine. Daumen hoch. Sängerin Nina singt ungemein angenehm, ihre junge Stimme passt zum eher jugendlich wirkenden Sound und die Hintergrundgesänge der Herren klingen auch nicht nach 33 Jahren Bandbestehen. Mich erinnert Ninas Gesang sehr an die Bremer von New Days Delay – das ist ausdrücklich ein Lob. Und so habe ich auch an "Masquerade" und "Iruka" große Freude, auch wenn bei Letzterem der japanische Text ähnlich wie die asiatische Instrumentierung vielleicht netter Bonus aber nicht wirklich weltbewegend für das Album ist. Mit "Weltende" ist dann der überdrehte Start des Albums titelentsprechend beendet, der Song ist durch seine melancholischen Harmonien und das schöne Zusammenspiel aus dem Hintergrundgesang und Ninas sehnsüchtiger Stimme wunderbar. Ab dann geht The Nerves irgendwie die Luft aus und die restlichen 11 Songs ziehen an mir vorbei, ohne noch einmal wirklich aufhorchen zu lassen. Nie schlecht, nein, aber auch nie wieder so ausgelassen und spielfreudig. Wie schade! Wirklich! Ich hatte bis dahin so viel Spaß.

'Already dead'... ich hätte mich so gefreut, wenn das Niveau der ersten vier Songs gehalten worden wäre. Ich hätte gut über Dinge hinwegsehen können, die mir nun durch den nur netten Rest eher negativ auffällt: Wieso werden nur die Texte von zwei Songs gedruckt? Warum muss man den Einsatz von Shakuhachi und Rehab und die japanischen Texte so deutlich bewerben, wenn sie dann doch eher unbedeutend im Gesamtgefüge wirken? Ja, es gibt bei "Illusions and a wish" ein gestrichenes Solo, aber wenn der Song ansonsten der schwächste des Albums ist und das Solo genauso gut oder schlecht daher kommt wie ein etwas schiefes Gitarrensolo, dann ist es eben nichts besonders Erwähnenswertes. Ich will das Album nicht verdammen, der geneigte Punk Rock Fan bekommt auch bis zum Schluss professionell eingespielte und eingesungene Ware, die kaum Platz zum Meckern lässt. Reinhorchen darf man und ich würde sicherlich ein Konzert wahrnehmen, wenn es jemals wieder Konzerte geben sollte und sich die Band hierher verirrt. Zu gerne würde ich den Alterskontrast auf der Bühne erleben und sehen, ob die Chemie live so stimmig rüberkommt, wie sie im Sound auf Album erscheint.

 

The Nerves

Already dead


 

28.02.2020

Danse Macabre

 

https://de-de.facebook.com/pg/thenervesgermany/about/

 

01. Already dead

02. Masquerade

03. Iruka

04. Weltende

05. Illusion and a wish

06. Co-Reality

07. Suicide Suzie

08. Sleepless

09. Lesbian Man

10. Outside the door

11. Not like you

12. Vienna

13. No master

14. Nightmare

15. Westwind