„I am the imprint of your fingers“, so heißt es in dem Song „Shining Light“, der unter gleichem Namen erschienenen Single aus dem Album „The Book of Fire“, das in diesem Jahr Platz 1-Charterfolg feierte. Und so wie der Kopf der Hamburger Gothic-Rocker von Mono Inc., Martin Engler, die Signatur seiner Bandgeschichte als Tattoo auf seinen Fingern trägt, so trägt die Neuerscheinung das Siegel von Mono Inc. – hymnisch, impulsiv, gewaltig. Doch ist der Song wirklich neu? Keineswegs! Kein Geringerer, als Szenegröße Tilo Wolff von Lacrimosa, tat sich mit den vier Hamburgern zusammen, um aus seinem bereits 2005 veröffentlichten Titel „Lichtgestalt“ ein neues, episches Werk zu schaffen. Hierbei handelt es sich nach dem gemeinsamen Schaffen zur Szene-Hymne „Children oft the Dark“ bereits um die zweite Kooperation, die nicht minder gelungen ist.
Episch, wie ein `Lacrimosa-Oratorium´, beginnt „Shining Light“, verbindet sich mit dem sphärischen Gesang von Katha Mia, der Drum-Prinzessin des Vierer-Gespanns. Was ist Licht? Was ist Schatten? Wer ist die Lichtgestalt, in deren Schatten du dich verzerrst? Martin Engler führt mit einer tobenden Entschlossenheit in ein Innenleben ein und klingt dabei fast bedrohlich. Er ist da. Er wird nie gehen. Er ist immer bei dir. „I am the kiss in your neck.“ Doch er bleibt nur der Schatten. Und so tief wie diese Stimme ist, so tief ist die Leidenschaft des Titels, stets getragen auf den Wellen der Energie des Schlagzeugs.Führt das Licht nicht den Schatten und der Schatten das Licht? Tilo und Martin treffen aufeinander und zusammen bejahen sie dies eindeutig in den gemeinsamen Zeilen. „I am a part of you.“ Zusammen – zwei Stimmen werden zu einer Einheit und lassen gedanklich abheben, ehe im zweiten Part des Songs ein fast wütendes Wechselbad der Gefühle beginnt. Martin und Tilo führen den gesanglichen Dialog miteinander - ein verzweifeltes Sehnen. Im Dasein des Schattens, der Nähe trotz Ferne, liegt eine unglaubliche Wut, die sich im kraftvollen Aufschrei von Martin wiederfindet: „The lack of power and rage of your heartstrings“. Der Schatten, das Licht und das Dazwischen, es zeigt sich im Wahnsinn, der wirren Stimme, die Tilos Ruf bizarr überlagert. „I am the scream inside your head.“ Die Spannung der Schreie im Kopf entlädt sich im sich stetig wiederholenden, gemeinsamen Part, ehe ein fast zärtliches Instrumentalstück die Sehnsucht erneut sanft aufkeimen lässt. „Shining light“, so zart führt Tilo zurück in den wehmütigen Schatten der Lichtgestalt, während eine düstere Stimme mit „I am a part of you“ wiederkehrend an die ewige Verbundenheit erinnert. Nein, der Wahnsinn der sich nacheinander Verzerrenden ist nicht aufzuhalten und so bündelt er sich erneut, wieder und wieder in den markanten Zeilen. Es gibt kein Ohneeinander. Wo Licht ist, da ist auch Schatten. Und so findet der Song sein melancholisches Ende, bis der letzte schwache Ton des nun ausleitenden Instrumentalparts - des in die Nüchternheit zurückführenden Klaviers - verklungen ist.
„I am the liquid in your veins.“ Ich bin das Blut in deinen Adern. Wer sich auf „Shining Light“ einlässt, den wird dieser Titel auf ebensolche Weise durchdringen und er wird sich wie ein Fluid auf die Seele legen. Denn wer braucht nicht immer auch ein bisschen Aufbäumen, Entladen und Neuentflammen für sein inneres Toben? Eine absolut gelungene Neuinterpretation eines Klassikers, die man nicht an sich vorbeiziehen lassen sollte.
Mono Inc.
Shining Light (Feat. Tilo Wolff)
03.07.20
NoCut/SPV
www.mono-inc.com