Mandelbrot ist ein wirklich klangvoller Name. Einerseits will er so gar nicht zur Musik des aus Philipp Münch und Babara Teichner bestehenden Duos passen, andererseits strahlt er genau die wohltuende Ästhetik aus, welche das Dark Ambient-Projekt mit seinen atmosphärischen, kühlen Klangfusionen – von naiv-verspielt bis paranoid-bedrohlich reichend – transportiert. Thema des zweiten Mandelbrot-Album "Thorns", welches in den Jahren 2006 und 2007 entstanden ist, widmet sich den verschiedensten, faszinierenden Facetten der Natur, dem größten "experimentellen Kunstprojekt" überhaupt. Zwar ist die Natur als Inspirationsquelle an sich nichts Neues, doch der kreative Weg, ihr Wesen – sofern es überhaupt zu erfassen ist – musikalisch zu interpretieren, macht den Unterschied. Selbstverständlich sind es nicht die sonnigen Sandstrände im Süden, die lauschigen Baggerseen um die Ecke oder blühende Gänseblümchenwiesen (weshalb eigentlich nicht?), die Mandelbrot in ihrem künstlerischen Schaffen beeinflusst haben. Gleich der nüchtern-sachlich sezierenden Detailverliebtheit Blossfeldtscher Pflanzenfotografie kreieren Münch und Teichner surreale, durchweg ausgesprochen ruhige, minimalistische Geräusch- und Synth-Collagen ohne Pomp und Pathos, aber mit Wirkung. Nicht selten muss man sich des Gefühls erwehren, mit einem schier übermenschlichen Gehör ausgestattet zu sein, und – gleich einem winzigen Insekt – einer Vielzahl an überwältigenden akustischen Fragmenten ausgesetzt zu sein, unablässigem Zischen, Brummen, Dröhnen, oder auch nur einem sanften Hauch des Windes der durch Gräser und Baumkronen streicht. Man glaubt, das Pulsieren der unter der Erde lebenden Fauna zu hören, das langsame, bedächtige Atmen der Flora, die plötzlich so lebendig und mächtig erscheint. Bisher Ungehörtes und Unbemerktes wird greifbar und nimmt eine bisweilen drückende Intensität an. Ist es Nacht, ist es Tag? Ist es Frühling, ist es Winter? Es ist IMMER, zu jeder Zeit, an jedem Ort. "Thorns" macht hörbar, was menschlichen Augen und Ohren in unbewussten Momenten, in Momenten der Flüchtigkeit verborgen bleibt. "Thorns" ist der Soundtrack zum irdenen Mikrokosmos und begibt sich auf die Suche nach der Stimme der Natur. Wie hört sich das Atmen der Bäume an? Welche Sprache spricht der Schnee? "Thorns" ist voller Zwischentöne – spannend, herausfordernd, bewusstseinserweiternd – und im Grunde eigentlich nur für Freaks und Kenner.