Und dann gibt es diese Stilrichtung im nicht-ganz-so-düsteren Wave/Elektro, die den Hörer ansprechen will und klar auf ein Wohlgefühl ausgerichtet ist, das beim Hören entstehen soll. Frühere Dauerbrenner waren Silke Bischoff, Unheilig darf man nennen, aber für mich gehört auch das vorliegende zweite Album von Lyronian in diese Schiene. Wie gut oder schlecht man ein Album findet, das mehr als einmal die Linie zwischen Kunst und Kitsch kreuzt, das sei dahingestellt. Lieblos ist ‚Crisis‘ aber deutlich nicht: Der Stil irgendwo zwischen Wave, Pop, elektronischen Spielereien und auch Schlager (nicht im abwertenden Sinne, sondern einfach festgestellt als Musikstil) finden sich 11 Lieder und 2 Remixe auf dem Werk. Keyboards und sanfte Gitarren bilden das Fundament, Alex W. Kerns Stimme und Texte immer im Mittelpunkt – so beginnt das Album mit „Auf Wiedersehen“ und treibt den Kitschpegel nach oben. Aber geht schon in Ordnung – gut gebastelt ist es, und es muss ja auch so etwas geben für all die, die es eben etwas schmachtiger mögen. „Long live the king“ bietet interessantere Keyboardspielereien, lahmt aber im zähen Refrain. „Crisis“ ist das erste Stück, das mich mitwippen ließ… zwar ist auch hier das Grundschema von Melodie und Gesang extrem vorhersehbar, doch die einzelnen Elemente sind wirklich nett zusammen zu hören. „Silver Arrow“ soll deutlich der Hit werden. Mehr Bass, markanter Tanz-Refrain und wieder extrem schwankend zwischen 08-15 und schönen Spielereien, die es im Hintergrund zu entdecken gibt. Von diesem Titel finden sich am Ende des Albums dann noch 2 Remixe, die man mögen kann oder nicht. Da mir das Stück an sich nicht gefällt, haben es die Remixe automatisch schwer. Und so schwebt das Album weiter voran (oder plätschert dahin), es gibt noch die Schema F Ballade „I’m so sorry“ und mir graut es vor dem Fazit. Und auch wenn nach einer Dürre (Lied 6 bis 9 sind extrem zäh) der Abschluss des Albums noch einmal stärker wird (bei „At night“ sogar mit *hört hört* spanischer Gitarre): das wird schwer fallen. Lyronians ‚Crisis‘ wird viele Freunde finden (vor allem junge oder weibliche oder solche die Musik für junge und weibliche Hörer gerne hören und das ungerne zugeben). Das Album nutzt die bekannten Melodie- und Spannungschemen aus den verschiedenen Musikstilen, um den Hörer zu umgarnen. Die Texte bauen auf oder lassen einen verträumt aufseufzen und die Programmierung ist spannender und vielschichtiger, als es die Standartmelodien vermuten lassen. Ich wüsste auch nicht, was Lyronian fehlen sollte, um bei geschickter Vermarktung auch die großen Bühnen zu erobern. Nur… mir fehlen die Ecken und Kanten, der Mut zur Kunst und damit die Berechtigung, das Ganze euphorisch zu feiern: man erzielt den gewünschten Effekt mit sinnvoll eingesetzten Mitteln.