Vor gut drei Jahren ließ ich nicht ein gutes Haar am Vorgänger vorliegender Scheibe: Das vertonte Äquivalent zu einem Bildschirmschoner mit Waldaquarellen. Und ja, 'Still innocence' ist in meinen Ohren ein ganz furchtbares Album weil es an guten Melodien mangelte. Aber. Und hier kommt das Aber, mit dem ich für mich gut begründen kann, warum ich mich noch einmal an das schwedische Ein-Mann-Projekt aus dem Dunstkreis Ambient Black Metal herangewagt habe: Luste haben einerseits vor 'Still innocence' tatsächlich Schönes herausgebracht ('Blossom' und 'Wonder' zum Beispiel) und andererseits habe ich in den letzten Jahren so viel Dungeon Synth gelauscht, dass ich auch ein "noch weniger" an Inhalten immer mehr genießen kann. Wer Dungeon Synth nicht kennt, darf selbst nach diesem eher obskuren und in den letzten Jahren überraschend wiedererweckten Sub-Sub-Sub-Genre suchen – für Freunde alter Spiele-Soundtracks ist diese Spielart, die sich vor allem auf die ersten Alben von Mortiies bezieht, sicherlich ein kleines Fest, auch wenn man die Juwelen in diesem unendlichen Meer an Veröffentlichungen wirklich suchen muss (Bei einem Genre, bei dem es spitz formuliert genügt, wenn eine Person eine 2 Fingermelodie 20 Minuten spielt und dann auf Bandcamp, setzt kein Wunder).

Lustre sind in meinen Ohren viel näher am Dungeon Synth als am Black Metal: Die Gitarren sind kaum noch zu vernehmen, dagegen war das fehlproduzierte "Nightshade Forests" von Summoning ein Riff-Feuerwerk. Und auch die Kreischer sind durch extreme Verhallung eher Teil der Instrumentierung. Verstehen tuste da nüschde. Es fokussiert sich also alles auf die eine Melodie, die jeden Track dominiert und dann 6 bis 10 Minuten wiederholt und minimal variiert wird. Da Lustre weiterhin wenig bis nichts von Spannungsaufbau halten und Drum-Programmierung, Kreischer und Keyboardeinstellungen in jedem Song quasi identisch sind, werden die meisten, die 'The ashes of light' das erste mal hören sicherlich nicht einmal die einzelnen Songs wirklich voneinander unterscheiden können. Dass ich den 45 Minuten aber dennoch etwas abgewinnen kann liegt aber daran, dass die ersten 5 Melodien gut genug sind, um das Album zu einer schwarzmetallischen Meditationsübung zu machen, Walgesänge für harte Jungs und Mädels mit Herz. Gerade "Part 3 (like music in the night)", das mit seiner tatsächlichen Entwicklung während der 9 Minuten fast schon progressiv wirkt, ist für mich ein wunderschöner Song. Mir ist aber, und das ist ganz wichtig, mehr als bewusst, dass das Album eben bei mir dieses Mal funktionierte und dass dies eher auf meine derzeitige Stimmung und meine Bedürfnisse zurückzuführen ist.

Lustre machen das wenige, was sie machen, gut. Wer die Band kennt, der gehört quasi schon zum anvisierten Nischenpublikum und darf gerne reinhören. Freunden und Bekannten wird man kaum erklären können, was daran gut sein soll - bisherige Evaluation in meinen Bekanntenkreis ergab: 45 schleppende Minuten und die Kreischer nerven. Kann ich auch so stehen lassen. Ich werde 'The ashes of light' sicherlich ab und an nutzen, um runter zu kommen, vielleicht sogar, um einzuschlafen – was soll man auch sonst beim Gebotenen machen? Also irgendwie eine Empfehlung?!?

 

Lustre

The ashes of light


 

24.04.2020

Nordvis Records


 

https://lustre.bandcamp.com/

 

01. Part 1 (eyes like stars)

02. Part 2 (a silent tale)

03. Part 3 (like music in the night)

04. Part 4 (the empty black)

05. Part 5 (the ashes of light)

06. Part 6 (Lamentation at dawn)