Lucidstatic - Symbiont Underground

Nach den weniger zufriedenstellenden Erfahrungen als Gitarrist/Bassist in verschiedenen Bands beschloss Lucidstatic, alleine seine Ideen umzusetzen. 2003 begann sein Umstieg auf eine softwarebasierte Produktionsumgebung und mit der Zeit wuchs dann auch der zur Verfügung stehende Hardware-Bestand. 2 Jahre später veröffentlichte er die ersten Ergebnisse als digitale Alben, entweder über Netlabel oder self-released. 2008 kam er schließlich zu Tympanik und es folgte sein offizielles Debüt-Album "Gravedigger", dem im Jahr darauf noch ein Remix-Album (sowie weitere netlabel-Releases) nachgeschoben wurde. Der Sound von Lucidstatic ist relativ düster, dreckig und experimentell, wobei sich Genre wie Breakcore, DnB, IDM/Glitch, Noise und Industrial herauskristallisieren. Für stärker an Melodie ausgerichtete Lieder, die sich nicht unter dieses Profil subsumieren lassen, hat der Mann aus Alaska noch das Projekt Pandora's Black Book gestartet, von dem auch schon ein Album bei Tympanik erschienen ist. Wie schon bei seinem CD-Debüt reflektiert der Titel des neuen Albums den Produktionsprozess: Bezog er sich bei Ersterem noch auf das Reanimieren alter Werke, ist es diesmal die Kollaboration mit 19 verschiedenen Künstlern, wobei der Begriff Symbiont impliziert, dass die Beziehung für alle Beteiligten von Vorteil ist. Dies schließt meiner Beurteilung nach auch den Zuhörer mit ein, denn es ist ein sehr abwechslungsreiches und unterhaltsames Werk geworden, auf dem es zudem keine negativ auffallenden Ausrutscher gibt. Die Lieder tragen jeweils die eindeutige Handschrift der Beteiligten, so pflegt Karloz M. bei "Burning Embers" seine typischen gesprochenen Vocals, und auch manche Synthie-Einlagen lassen es als Manufactura-Kooperation erkennen. Bei "Re_volve" kommt der an Unter Null erinnernde Gesang von Impurfekt zum Einsatz, und auch das Streicher- und Klavier-Arrangement lässt sich mit dem Impurfekt-Sound assoziieren. Mit ESA bei "According To Plan" und dem Industrial/Psy-Trance-Projekt Mangadrive bei "We Created The Epidemic" verhält es sich nicht anders. Ein großer Teil der Kollaborateure ist mir jedoch vorher nicht bekannt gewesen. Wie von Lucidstatic gewohnt wird ein breites Spektrum an alternativer elektronischer Musik abgedeckt, alles gekonnt eingearbeitet in teils sehr break-intensive Songstrukturen, d.h. ein Rhythmuswechsel ist auch innerhalb eines Tracks nicht selten. Dabei entsteht jedoch nie der Eindruck, dass sich das Album oder bestimmte Lieder in seine Einzelteile auflösen, der Zusammenhalt ist auf beiden Ebenen ständig gegeben, ob nun durch die Atmosphäre, bestimmte Sounds oder eine Melodie: ein gewisses Grundthema ist immer vorhanden. Das Sounddesign ist überwiegend noisy und kernig, mit Ausnahme von "The Awakening", welches eher an Downtempo-Electronica oder Lounge-Musik erinnert und wahrscheinlich das einzige Stück ist, bei dem der Beat unverändert durchläuft. Zwar gibt es gelegentlich, wie z.B. bei "Fractured" und "Perpetuate", sehr eingängige Hooklines, aber das treibende und teils komplexe Beatwork bzw. perkussive Aspekte stehen im Vordergrund, und man merkt das Profis am Werk sind, denn unbewusstes Kopfnicken und Fußwippen tritt mit statistisch signifikanter Häufigkeit auf. Ich weiß gar nicht wo ich anfangen und aufhören soll zu beschreiben, im Grunde verlagern sich von Stück zu Stück nur die Schwerpunkte in einem Pool aus Genres, mit Ambient und Rhythmic Noise als Extrema. Ich würde jedem mit einem Interesse an alternativer elektronischer Musik empfehlen, sich "Symbiont Underground" wenigstens einmal anzuhören, zwar wird einem wahrscheinlich nicht alles gefallen und mag etwas gewöhnungsbedürftig sein, aber irgendetwas wird sich sicher finden, zumindest dürfte es nicht langweilig werden. Zudem enthält das Album sowohl sehr tanzbare, wie auch vertracktere Kompositionen, und bietet eine interessante Plattform zur Erkundung der Musik der Beteiligten. Damit werden insgesamt mehr Anschlußmöglichkeiten für Hörer geboten als bei den meisten Veröffentlichungen.

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