Die Überraschung war groß, als es Anfang des Jahres hieß, dass sich Till Lindemann und Peter Tägtgren zusammengetan hätten, um gemeinsam Musik zu machen. Der Rammstein-Fan freute sich endlich auf ein neues musikalisches Lebenszeichen, wenn auch nur in Solo-Ausführung, und Tägtgrens Name ließ sowieso die halbe Szene gebannt aufhorchen. Jetzt ist mit „Skills in Pills“ das heiß erwartete Machwerk der beiden zu Recht schwer bewunderten Masterminds der düsteren Musik erschienen und die Erwartungen waren gigantisch.

Umso erstaunter war ich dann, als mit „Praise Abort“ die erste Single veröffentlicht wurde und mir mehr oder weniger den Angstschweiß auf der Stirn stand. Die Lyrics waren platt und klangen nur erzwungener Maßen provokativ, das Englisch war gewöhnungsbedürftig, aber dennoch hatte es das Lied geschafft einen Wurm in mein Ohr zu setzen. Mit entsprechender Vorsicht habe ich mich an das gesamte Album gewagt und konnte schon nach dem ersten Durchlauf Entwarnung geben. „Praise Abort“ ist kein guter Griff in Sachen erste Singleauskopplung geworden, denn für meinen Geschmack ist der Titel der mit Abstand schwächste auf der ganzen Scheibe, insbesondere was den Text angeht. Der namengebende Opener „Skills in Pills“ hat dank seines unglaublich eingehenden Refrains absolute Hitqualitäten. Dieses Prinzip mit dem bösartigen Refrain, der das Ohr schon nach dem ersten Hören in Beschlag nimmt, ist sowohl auf musikalischer als auch auf lyrischer Ebene in allen 11 Titeln zu finden.

Es geht, wie gewohnt, reihenweise um Sex und dazugehörige Fantasien, aber gerade diese Songs wirken textlich besonders flach, bis auf das grandiose „Fish on“ wo Lindemann zu altbekannten Höhen aufläuft oder zumindest daran kratzt. Da ist für jeden Geschmack was dabei, vom „Ladyboy“ bis hin zur „Golden Shower“ und wie gewohnt wird da nicht gekleckert sondern geklotzt, Provokation um jeden Preis. Alles was auf diesem Album nichts mit Sex zu tun hat, ist textlich meilenweit überlegen. Da wäre das Gänsehaut-erzeugende „Home sweet Home“, das hymnenartige „Children of the Sun“, eine musikalisch berührende Hommage an den Fluss „Yukon“ oder die einzige richtige Ballade auf der Scheibe „That's my heart“, welche bei jedem Hören tiefer unter die Haut geht. Gerade bei diesen Titeln läuft das Duo zu Höchstleistungen auf und erschafft eingängige mitreißende Lieder, die einen so schnell nicht wieder loslassen.

Dass Till Lindemann plötzlich auf Englisch singt ist gewöhnungsbedürftig, zumal er (vielleicht auch mit Absicht) an einigen Stellen mit der Aussprache zu kämpfen hat, was das Ganze teils komisch erscheinen lässt. Musikalisch kann man der Scheibe absolut gar nichts vorwerfen. Tägtgren hat einmal mehr bewiesen, weshalb er als musikalischer Halbgott gehandelt wird und bietet ein Feuerwerk nach dem anderen, ohne dabei die Abwechslung zu vergessen. Die Musik erinnert an einigen Stellen deutlich an Rammstein, wird aber immer wieder mit den typisch „nordischen“ Elementen von epischen Streichern und knallenden Gitarrenbrettern aufgepeppt. Provokante und „normale“ Stücke halten sich die Waage und schaffen so eine Mischung, die perfekt aufeinander abgestimmt wirkt.

Fest steht: Lindemann wird man entweder lieben oder hassen. An einigen Stellen bleibt durchaus Luft nach oben, aber insgesamt überzeugt das Debüt und macht Lust auf mehr.