Ich dachte immer, dass Blumen aus dem benachbarten Holland geliefert werden, doch nun halte ich dieses Gedeck der "Blumen des Bösen" in den Händen, das in Stockholm, Schweden, gebunden wurde. Aber das Duo Les fleurs du mal haben weniger mit Baudelaires Gedichtssammlung zu tun als vielmehr mit einem Best-of 80/90's Goth Rock. Also hören wir mal in die mit "I" betitelte EP rein, die das erste offizielle Lebenszeichen darstellt. Wenn man die fünf Songs anhört, dann wird man ganz schnell feststellen: Les fleurs du mal orientieren sich stark an bekannten Vorbildern und können mit der hier präsentierten Musik sicherlich keine Kreativ-Wettbewerbe gewinnen. Soweit musste ich das größte Manke schonmal gleich rausblasen, soll aber nicht heißen, dass man keinen Spaß mit "I" haben kann. Denn wenn man genau hinhorcht, dann erkennt man auch schnell: Les fleurs du mal machen jede Menge Spaß. "Stay awake" eröffnet den Reigen mit stark keyboardorientierten Gothrock, der Parallelen zu London after midnight, den Fields of Nephilim oder vielleicht auch Joy Division aufweist. Pathosgeladene Keyboards, zurückhaltende Gitarren, ein angenehmer und nicht zu aufgesetzter Gesang und ein Drumcomputer, der unbeirrt vor sich hintuckert – die beiden Schweden verbinden diese Elemente zu einem wirklich schmucken Opener. Mit "A long day's journey" wird es aber noch besser, man wechselt soundtechnisch eher in Richtung Fair Sex und vor allem zu den Sisters of mercy: "Doctor Jeep" von der 1990'er "Vision thing" stand hier stark Pate in den Strophen und im 'feeling', augenzwinkernd kommt in der 2ten Textzeile auch ein "...give me shelter" vor. Der mitreißende Refrain mit dem etwas quäkigen Frauenchor ist aber so gut, dass ich ihn mir sofort in der Disko wünsche – wer da nicht mittanzt, der mag Goth Rock nicht! Standartmäßig findet sich mit "My funeral" auch ein ruhiges Stück auf der EP, angenehm aber sicherlich nicht der Titel, an den man sich in einem Jahr erinnern wird. Im mittleren Tempo gehalten bietet "Exclusion" gute Kost, die an Imaginery Walls oder House of Usher erinnert. Und "Astray" beendet dann die 25minütige Vorstellungstour stimmunsvoll und ruhig. Was kann sich der Leser also aufschreiben: Les fleurs du mal erfinden das Rad bei Weitem nicht neu und orientieren sich stark an großen Vorbildern. Ihr Sound ist stark an die große Zeit des Goth Rock Ende der 80er und Anfang der 90er orientiert, als solche Veröffentlungen an der Tagesordnung waren. Und auch wenn sie sicherlich auch lange Sicht an etwas mehr Eigenständigkeit feilen müssen um auch auf ganzer Albumlänge zu gefallen kommt man nicht umhin, "I" als gute EP zu bewerten. Denn manchmal kann eine Kopie durchaus ihre Reize haben (und wie viele der klassischen Hits, die wir heute immer und immer wieder hören oder erwähnen waren eigentlich auch nur sehr gute Kopien eines bekannten Sounds?).