Die Kürbisse sind geschnitzt, die Skelette grüßen freundlich aus den Fenstern und das Süße steht in großer Menge bereit, um die Horden kleiner Geister zu besänftigen. Auch wenn Halloween, das seinen Ursprung in Irland haben soll, bisweilen ein arg verkitschter, amerikanisierter Konsumtag bar jeglichen religiösen Brauchtums ist, lieben ihn die Menschen auch hierzulande immer mehr, wie man an der Auslegeware hiesiger Bekleidungs- und Spielegeschäfte erkennen kann.
Und wenn es schön schaurig zugehen soll, darf die entsprechende Musik natürlich nicht fehlen. Im vergangenen Jahr haben Duran Duran mit ihrer ganz okayen Platte "Danse Macabre" gezeigt, wie man das Gruselfeste klanglich untermalen kann. Dieses Jahr ist es unser Lieblingsdäne Claus Larsen alias Leaether Strip, der mit "All Hallow's Eve" eine Zusammenstellung verschiedener Fremdkompositionen im Dunstkreis gruseliger Themen präsentiert, denen er den typischen harschen EBM-Sound unterlegt.
Coverversionen sind schon seit jeher Leaether Strips Steckenpferd. Seine "Æppreciation"-Reihe geht mittlerweile in die siebte Runde und steht als beredtes Beispiel für sein sicheres Gespür, Songs eine unvorhergesehene Wendung zu verpassen. Natürlich ist bei der Wahl der Stücke auch immer etwas Vorsicht geboten, denn nicht jede Nummer lässt sich mir nichts, dir nichts für eine Sache vereinnahmen. Beziehungsweise: Manche Stücke sind aufgrund ihrer bereits unzähligen Neuinterpretationen derart ausgelutscht, dass jeder weiterer Versuch zum Scheitern verurteilt ist.
Insofern ist es entweder Größenwahn, grenzenlose Leidenschaft oder maximale Unbedarftheit, dass Leaether Strip sich unter anderem an die richtig schweren Brocken ranwagt: "Bela Lugosi's Dead" von Bauhaus, "Being Boiled" von The Human League und "Peek-a-Boo" von Siouxsie & The Banshees. Stücke, deren ikonischer Wert so überaus hoch ist, dass Gralshüter bei einer künstlerischen Wiederverwertung schnell vom Sakrileg sprechen werden. Bei "Bela Lugosi's Dead" schrammt Leaether Strip zumindest haarscharf dran vorbei, denn die enigmatische Tiefe des Originals kann Claus mit seiner Version nicht ansatzweise erreichen (die eingestreuten Sprachsamples, vermutlich aus den entsprechenden Filmen, helfen da auch nicht weiter). Ebenso reißt "Being Boiled" keine Bäume aus und macht nicht den Anschein, einen Mehrwert bereitzuhalten.
Ansonsten bleibt das Projekt immer nah am ursprünglichen Material und legt, wie bei "Peek-a-Boo", fettes Schlagwerk drunter, was in diesem Fall ganz ordentlich zündet. Seine großen Momente feiert "All Hallow's Eve" aber an ganz anderen Stellen. "Massaker" des im vergangenen Jahr verstorbenen Tommi Stumpff ist eine gelungene Vebeugung Larsens vor dem Pionier harter elektronischer Klänge. Ebenso gelingt ihm mit "The Dead Of Night" eine weitaus griffigere Variante der Depeche-Mode-Nummer, die noch zu den besseren auf der insgesamt schwachbrüstigen "Exciter" zählt. Der Musiker arbeitet den Glam-Moment perfekt aus, und seine giftige Stimme passt haargenau zum Sujet des Liedes. Kudos auch an ihn, dass er "I Like The Night (And The Night Likes Me)" von Darkways ins Repertoire aufgenommen hat, zählt die Band doch zu den großen Darkwave-Überraschungen anno 2024.
Um ein allumfassendes Halloween-Feeling zu kreieren, wird "All Hallow's Eve" von zwei Filmmusiken komplettiert, die aus der Feder des Großmeisters schauderhafter Filmscores stammen: John Carpenter. "Christine" und "The Fog" gehören sicherlich zu seinen eindringlichsten Untermalungen. Claus Larsen behielt das cineastische Moment bei und bettete behutsam seine Ideen in die Nummern ein. Auch hier ging er mit einer gehörigen Portion Respekt an die Sache, aber er erstarrte nicht in Ehrfurcht.
Von einigen Aussetzern mal abgesehen, ist Leaether Strip wieder einmal ein kurzweiliger und clubkompatibler Steifzug durch die Musikgeschichte im Zeichen ausgehöhlter Kürbisse gelungen. Süßes und Saures liegen dieses Mal ganz nah beieinander.