Laurent Garnier ist das Techno-Ur-Gestein Frankreichs, vielleicht ähnlich wie dies Sven Väth für die deutschen Lande ist. Trotzdem habe ich bisher, zumindest bewusst, nur kleine Fragmente seines Schaffens wahrgenommen. Umso interessanter ist die vorliegende Doppel-CD ‚Retrospective’ die Bekanntes und Unveröffentlichtes, Geremixtes und live Eingespieltes über 160 Minuten im aufwändig gestalteten Digipak vereint. Garnier spannt hier einen breiten Fächer von Techno-Varianten auf und schafft es dabei, nahezu allen Tracks die Kälte und Sterilität zu nehmen, die sonst so manchen Track uninteressant oder gar schlecht machen. Dabei gibt es keine Berührungsängste: so sind zwei Live Versionen mit den Jazzer Bugge Wesseltoft enthalten, die wunderbar funktionieren. Bei ‚Acid Eiffel’ entsteht dabei Acid Jazz im wörtlichen Sinne. Dass Garnier auch dem Ambienten aufgeschlossen ist, konnte man bereits bei seiner Zusammenarbeit mit ‚System 7’ im Jahre 1994 feststellen, und so sind auch hier einige sphärische fast ohne Beat auskommende Tracks enthalten. Das Gros der Beiträge allerdings integriert die elektronischen Drums gekonnt in kleine synthetische Geschichten die zum Tanzen aber auch zum Hinhören einladen; denn detailreich sind die hier präsentierten Stücke auf jeden Fall. Höhepunkte gibt es so einige: da wäre der Opener ‚6 months earlier’ zu erwähnen, der wunderbar entspannt vor sich hin fließt, ähnlich wie auch die Garnier Remixe des DJ Marky Tracks ??Butterfly’ oder Elegias ‚Basic’. Was wäre diese Zusammenstellung ohne ‚Crispy Bacon’, wohl eines der bekanntesten Stücke des Meisters, das monoton blubbernd zum Betreten der Tanzfläche animiert. Einmal dort angekommen, wird noch Carl Craigs ‚Demented’ hinterher gelegt und vielleciht das Detroit-housige ‚Coloured City’. Garnier unternimmt mit ‚Theme from Larry’s’ und ‚Barbiturik Blues’ des weiteren Ausflüge in die Welt des Dub; das können andere jedoch besser… Mit Retrospective liegt eine schöne Compilation vor, die bewusst macht auf welchen Pfaden die schwer greifbare Legende Laurent Garnier unterwegs war bzw. ist. Auf jeden Fall kann man die prägende und wegweisende Rolle bescheinigen, was allerdings noch nicht heißt, dass Retrospective als Ganzes zum Dauergast in meinem CD-Player wird. Denn hier kommt die Kritik: die Zusammenstellung ist zu laut um sie im Hintergrund laufen zu lassen, zu leise für eine echte Party und zu anstrengend für einen Sonntagnachmittag bei Milchkaffee. Verwendet man allerdings die Programm-Funktion des CD-Players, so kann man in all diesen Situationen mit Retrospective glücklich werden…