„Vielleicht nur ein Ausdruck der Arroganz der Existenz, also dennoch zu tun was einem Spaß macht, gerade weil es uns live immer noch rockt, verraucht und durch die Gegend haut“ – diese Aussage kann für die Berliner Band Krankheit der Jugend geradezu als programmatisch verstanden werden. Seit Ende 1992 existiert diese freigeistige und experimentell orientierte Gruppe, deren bisherige Veröffentlichungstitel einen Hang zum Surrealismus, zur Avantgarde und zum Existenzialismus gleichermaßen erkennen lassen. Mit „die proklamationen einer sterbenden gesellschaft“, „fortschritt ohne mensch“ und „seele, tod, wasser, werden“ vertritt das dreiköpfige Gespann deutlich sein unkonventionelles Verständnis von Kunst. An dieser Stelle ist darauf hinzuweisen, dass sich die Bandmitglieder neben ihrer Komponiertätigkeit für Krankheit der Jugend dem „Krankekunstverlag“ widmen, der vielleicht einigen von Euch durch seine außergewöhnlichen, sehr ästhetisch aufgemachten Literatur- und Tonträgerveröffentlichungen mit Anspruch bekannt ist (z.B. das Betonbruch Fanzine). So setzt der Krankekunstverlag dort Akzente, wo sich der Mainstream schon lange nicht mehr hintraut. Hier leben Großstadtschluchten wieder auf, grauer Beton wird lebendig, das Abbild einer kranken Zivilgesellschaft, deren ver(w)irrter Geist unaufhörlich denkwürdige Artefakte produziert. Mit Krankheit der Jugend proben die Kinder der Moderne den Aufstand, die Revolution im Geiste. Das aktuelle Werk von K.d.J. ist ein avantgardistisch angehauchtes Bekenntnis zur Unabhängigkeit und Unkommerzialität. Hier werden psychedelische, verspielte Gitarren und ein ebensolches Drumming, ein monotoner Bass und tanzbare, dunkle Elektronik zur musikalischen Basis für deutschsprachige Texte, die stets zwischen Wahnsinn und Realität pendeln. Ihre Songs sind ein Verwirrspiel aus Eingängigkeit, Leichtigkeit und komplexen sprachlichen Ausdrucksformen, welche getrost als wenig leichtverdaulich und durchaus originell bezeichnet werden dürfen. Wenngleich das düstere Flair nicht ganz so stark ausgeprägt ist, kann man die Wortgewalt und bisweilen melancholische Intensität des Sängers/Sprechers Maldo:ror durchaus mit der eines Stefan Ackermann (Das Ich) oder Oswald Henke (Goethes Erben) vergleichen. Unverkrampft, aber doch recht intellektuell werden hier Gedanken rezitiert, die sich an einer recht realistischen Zustandsbeschreibung der Gegenwart versuchen. Auf „ – ohne Titel – in Öl (2003)“ gibt es fünf Tracks, die vor allem den grüblerischen, philosophischen und mit sich und der Welt hadernden Individuen unter uns gut gefallen dürften. K. d. J. widersetzt sich mit Erfolg dem Einheitsbrei und liefert hier ein bemerkenswertes, denkwürdiges Werk ab. Sehr hörenswert! Werke von K. d. J. kann man unter www.ersatzbank.tk kostenlos downloaden. Das nenne ich eine Form von Unabhängigkeit und Freiheit!