Vielen Italienern wohnt derzeit ein Gefühl der Unzufriedenheit und Unsicherheit inne. Kein Wunder also, wenn man sich zurück besinnt... und das muss ja nicht immer etwas Schlechtes sein: anders als viele politisch Verirrte suchen die vier Herren von Klimt 1918 ihr Heil nicht in konservativen Gedanken sondern in beschaulichen Zeiten. Doch gehen sie nicht zurück in das namensgehende Todesjahr des Malers Gustav Klimt (man entschuldige meinen holprigen Versuch einer Namenserklärung) sondern weilt wie bereits auf früheren Alben irgendwo in den frühen 80ern: „Alexander Hacke (Einstürzende Neubauten)“ spielte damals für kurze Zeit experimentellen Noise mit seiner „Lebensgefährtin Christiane Flescherinow (besser bekannt als Christiane F. aus dem Sachbuch-Bestseller "Wir Kinder vom Bahnhof Zoo")“ unter dem Banner Sentimentale Jugend. Und so wollen Klimt 1918, die eigentlich aus Rom stammen, das „pulsierende und doch nihilistische West-Berlin der späten 1970er Jahre“ wiederaufleben lassen und gleichzeitig „die winterlich-nebligen Stimmungen“ im Osten Berlins beschreiben (zitiert aus dem Pressetext). Und weil diese Welten und Lebensgefühle damals so nah und doch so gegensätzlich erscheinen, entstanden zwei Alben, die einzeln erhältlich sind oder als Gesamtpaket in Buchform. Sollte Sofia Coppola jemals an einem zweiten Teil von Lost in Translation arbeiten hätte sie mit Klimt 1918 die Band gefunden, die den gesamten Soundtrack stemmen könnte. Denn nicht nur fühlte ich mich beim Lauschen der Songs an die alten Helden der wavig-verschrobenen 80er erinnert, sondern auch an diesen fantastischen Soundtrack, der die Verlorenheit in der Großstadt und die Sinnkrise der Protagonisten so perfekt einfing. Die erste CD „Sentimentale“ beinhaltet neun verträumte Indie-Wave Songs, die nahezu ausnahmslos die gewünschte Stimmung und ein hohes Maß an hingebungsvoller Sentimentalität im Hörer auslösen können. Verschwommene Gitarren, ruhige Bassläufe, geradlinig-zurückhaltendes (aber nicht langweiliges Drumming) und sanft-schmachtender Gesang lassen die Welt um einen herum im Weichzeichner erscheinen. Perfekte Musik, um mit Kopfhörern durch die herbst-winterliche Welt zu spazieren und ab und an hingebungsvoll zu seufzen. Klimt 1918 sind dabei so geschickt, dass ich meine Freude habe - trotz der Tatsache, dass alle Songs in Sound und Wirkung sehr nah beieinander sind. Und auch die Coverversion „Take my breath away“ ist recht geschmeidig ver-Klimt-et worden, auch wenn den Jungs eigene Songs besser stehen (und speziell diesem Song der ausdrucksstarke Gesang). Auf dem zweiten Album „Jugend“, das mir fast genauso gut gefällt, wird es dann (ein klein wenig) flotter und druckvoller. Der Sprung ist weniger auffällig, als er in der Beschreibung klingen mag, aber er ist gelungen und diesen Teil empfehle ich als Soundtrack beim Spaziergang durch eine verregnete Großstadt im Herbst. Einzelne Songs herauszupicken lohnt sich aufgrund der Homogenität kaum. Und genau in dieser liegt auch der größte Pferdefuß des ansonsten wunderschönen Albums: 19 Songs (bzw. 20 in der Sonderedition), allesamt schön aber ähnlich.... das kann einen schon erschlagen und bei unaufmerksamen Hören auch in die Beliebigkeit driften. Vielleicht wäre weniger mehr gewesen, vielleicht ist es aber auch ganz richtig so. Reinhören sollten Freude der frühen 80er Marke Cure, Joy Division oder The Chameleons auf jeden Fall.