Es ist immer wieder spannend, Rezensionsexemplare von Alben unbekannter Künstler zugeschickt zu bekommen - ohne Vorurteile, ohne mögliche Vergleiche mit bisherigen musikalischen Outputs oder konkreten Erwartungen, erschließt man sich die zu kommentierenden Sounds mit jedem weiteren Titel ein Stück weit mehr. So geschehen mit der ersten CD des Hamburger Projekts „Kasper Hate“, das mit „Wolf Skill“ zwar nicht sein Debüt vorlegt, allerdings das erste physisch zu erwerbende Format, nachdem die bis dato vorgenommenen discographischen Meilensteine ausschließlich auf digitalen Wegen vertrieben wurden.

„Scent Air Records“, das umtriebige russische Label von Vladimir Romanov, dient nun als Sprungbrett für die angestrebte Etablierung im Umfeld elektronischer Popmusik. Recherchen in den Weiten des Internets führten Erstaunliches zutage: Kasper Hate sehen ihre Wurzeln im „Trip Hop“ und „Grunge“, auch „Punk-Rock“ fällt als Stichwort, zumindest auf der Facebook-Präsenz der Band. „Oh Schreck lass nach“, möge man rufen, doch bereits die ersten Takte des 16 Tracks umfassenden Werkes lassen aufatmen: keine Spur von Punk-Rock, sondern lässige, bisweilen groovende elektronische Klänge, die gekonnt zwischen den späten Achtziger Jahren und aktuellen Electro-Clubsounds der Neuzeit pendeln. Die unaufdringliche Stimme erinnert frappierend an andere Synthpop-Bands aus der mitteleuropäischen Independentszene, an erster Stelle seien Frank Rössel (Helios) oder Mario Bode (Edenfeld) genannt. Beim genialen „Starving King“, das verzerrte Electroriffs und einen tatsächlich „trip-hoppigen“ Backing-Track in sich vereint, ist sogar ein bisschen Mind.In.A.Box herauszuhören.

Das zweite Albumdrittel eröffnet mit „Entropy“, das ein weiteres, in diesem Falle primär tanzbares, Ausrufezeichen setzt. Auffallend, wie es der Band stets aufs Neue gelingt, vermeintlich simple Rhythmen dergestalt zu modifizieren, dass unter dem Strich eine spannende Soundcollage entsteht, die oftmals erst beim zweiten oder dritten Durchlauf im Ohr hängen bleibt. Viele Songs verzichten zudem auf das gängige Strophe-Chorus-Strophe-Chorus-Bridge-Chorus (8x) Schema, sondern arbeiten mit Brüchen, reduzierten Instrumentalpassagen und überraschenden Wendungen. Leider - und dies mag tatsächlich der einzige echte Kritikpunkt sein - fehlt ein echter Hit, der dem Album einen zentralen Bezugspunkt verleiht und als Aushängeschild (womöglich mit Musikvideo) die Promotionmaschinerie befeuern könnte.

Wer mit diesem Malus leben kann, auf intelligente elektronische Musik steht und sowohl mit klassischem Synthpop, als auch mit modernem Electro-Trip-Hop-Pop (Röyksopp?) etwas anfangen kann, muss Kasper Hate unbedingt eine Chance geben. Aus Sicht des Rezensenten die beste Veröffentlichung von „Scent Air Records“ im Jahre 2014.