Freunde schwedischer Todeskunst kennen Jonathan Hultén eventuell als Teil von Tribulation, bei denen er seit nunmehr 16 Jahren die Saitenaxt schwingt. Jedoch ist dieses Wissen ungefär so wichtig für den Genuss von 'Chants from another place' wie eine Studium der Skandinavistik, denn Hulténs erste Soloplatte ist wunderschöner Singer/Songwriter Folk und alle Texte kommen englisch daher. Freunde sanfter Gitarrenklänge sollten den Geldbeutel unbedingt gezückt halten – am Ende folgt die Blindkaufempfehlung.
Keine Experimente, keine ungeahnten Erkenntnisse. Wer diese Scheibe genießen möchte, der sollte akustische Gitarren schätzen. Jonathan Hultén beachtet weder Genregrenzen noch hat er ein Interesse daran, moderne Hits zu schaffen: 'Chants from another place' ist eine Sammlung, die die Zeiten und Genres verschmelzen lässt. Die Country Nummer "A dance on the road" eröffnet mit umwerfenden Refrain und endet mit spacigen 70er Keyboards, bei "The mountain" ein wenig Elliott Smith einwerfen, mit "Next big day" für mitwippende Köpfe im Publikum sorgen und bei "The call to adventure" diese epische Popform verfolgen, die eine Zeitlang die Radios unsicher machte. Gleichzeitig ist es oft das Keyboardspiel, dass einen angenehmen Gegenpol darstellt zur Gitarre und dadurch bei aller Leichtigkeit der Kompositionen für Vielschichtigkeit sorgt. Eine perfekt plazierte Auszeit folgt mit dem schmachtigen "Wasteland" bevor man den perfekten Soundtrackbeitrag für einen Art House Film in den "Outskirts" findet. In "Holy woods" tauchen plötzlich Verweise auf Simon & Garfunkel auf und "Where devils weep" ist dann die Western Ballade, die mich endgültig umwirft. Besser kann es in Sachen akustischer Gitarre für mich kaum werden... Jonathan Hultén scheint dies zu wissen und plaziert eine reine Piano und Streichernummer und eine acapella Interpretation eines Stückes des Landsmannes Pers Hans Olson auf seinem Album, letztere typisch skandinavische Kost. Bei "The roses" schwillt die Dramatik durch Marschtrommeln und einen emotionalten Aufbau mit wundervollen Gesangslinien in die Höhe bevor Hultén in die "Deep night" traumgleich verschwindet.
Dieses Album ist so perfekt strukturiert, jeder Durchauf ein Genuß und für mich erscheint es irgendwie besonders erfreulich, dass das in meinen Ohren schwächste Stück das einzige ist, dass nicht von Hultén selbst stammt. Hulténs Wagnis, sich nicht auf einen Stil festzunageln und trotzdem alle losen Fäden schlüssig zu verbinden machen aus 'Chants from antoher place' eines der seltenen Akustikalben, bei denen die Aufmerksamkeit auf Albumlänge kaum wegdriften kann. Der Mann spielte alle Instrumente selbst ein, sang alle Vocals mit wirklichen schöner Stimme und schuf so ein Album, das mich mit den ersten Takten überzeugte und auch nach dem x-ten Durchlauf nicht schwächer werden will.
Und deswegen gehe ich so weit und hinterlasse, wie versprochen, am Ende meiner Zeilen eine Blindkaufempfehlung.
Jonathan Hultén
Chants from antoher place
13.03.2020
Kscope
https://www.jonathanhulten.com/
01. A dance on the road
02. The mountain
03. Next big day
04. The call to adventure
05. Wasteland
06. Outskirts
07. Holy woods
08. Where devils weep
09. The fleeting world
10. Ostbjorka brudlat
11. The roses
12. Deep night