Ich denke, ich habe mein Album des Jahres so kurz vor dem Ende entgültig gefunden. Schlecht war die Ausbeute 2017 nicht, es gab zwar nicht allzuviele Anwärter, diese erwiesen sich aber als äußerst Alltags-und-Lebens-bereichernd. Doch 'Screen Memories' überholt rechts und gibt mir in seiner perfektioniert unzulänglichen Art und Weise alles, was ich zur Zeit brauche, um musikalisches Glück zu empfinden. John Maus darf man gerne nachschlagen, die Berichte von seiner akademischen Karriere und der musikalischen Herangehensweise können genauso interessant sein wie seine hingebungsvolle, wenn auch schwer gewöhnungsbedürftige Liveperformance, die wirkt, als ob Joe Cocker und Tina Turner sich überlegt hätten, wie man noch einen drauflegen kann. Kurz: John Maus kann aufhorchen lassen und beschäftigen ohne überhaupt einen einzigen Ton zu präsentieren. Man kann sich beim musikalischen Erstkontakt auch durch die vermittelnden Personen versichern lassen, dass da mehr dahinter steckt. Dass John Maus Musik auf der Metaebene macht, dass er klassische Motive und unterschiedlichste melodische Elemente diverser Epochen aufgreift. Man kann trotzdem verwundert sein, nach wie wenig es dann dennoch klingt. Wie trashig. Zunächst. Versprochen. Ich hätte es jetzt so in Richtung Minimal/Wave geschoben, es nennt sich aber Hypnagogic Pop und ja, es ist auch irgendwie anders. Es wirkt sehr sehr archaisch, klingt unperfekt in Instrumentierung, Gesang, Aufnahme und Abmischung. Und mit jedem Durchlauf wird deutlicher, dass jeder einzelne Ton, jede einzelne Entscheidung, was wann, wo wie klingen soll wohl überlegt ist. Dafür braucht man das ganze theoretische Drumherum nicht, nein, John Maus zeigt dies klar in jedem Moment. Die nicht einmal 40 Minuten vergehen wie im Flug und trotz des sich selbst eng gesteckten Rahmens kann ich zu keinem Zeitpunkt Ermüdungserscheinungen entdecken. Es ist erstaunlich, wieviel Melodie, wieviel Abwechslung in einer Musikrichtung geht, die sich im gros eher durch Einheitlichkeit auszeichnet. 'Screen Memories' ist eine Reise, fast eine Irrfahrt durch die Musikgeschichte und alles ist mit den Mitteln des Minimals umgesetzt, wenn man von wenigen Ausreißern wie die treibende und dennoch stark verzerrte Gitarrenlinie bei "Find out" absieht. Da hört man tatsächlich klassische Melodien, 60er/70er Parts, punkige Schrammelmelodien, 80er Schmacht und untanzbare Tanzbarkeit. Ein Freudenfest. Seine Botschaften, die Maus selbst und Fans als philosophische, politische und gesellschaftskritische Kunstwerke deuten sind so reduziert, dass sie sich selbst auch ohne dieses Drumherum genügen. Ich genieße jeden Titel des Albums um seiner selbst Willen. Und das Album ist dermaßen stark, dass mir dies für Begeisterungsstürme reicht. Ob man nun also nur lauschen oder es auch theoretisch zerpflügen will - dieser neueste Streich ist ein geschliffener Juwel, der von John Maus so lange bearbeitet wurde, bis er wie ein Rohdiamant klingt. Und Lieblingsmelodien finden sich hier in einem Ausmaß, dass es manch anderem Musiker für 4 Alben genügt hätte. Zugreifen.