Es ist faszinierend, was der Luxemburger Sänger und Produzent Jimmy Martin schon für eine Karriere hingelegt hat und wo er so seine Finger drin hatte bzw. mit wem er schon gearbeitet hat. Erstmals fiel er mir als Sänger der französischen Melodic Rock Band FISC auf, deren CD "Too Hot For Love" 1987 öfters in meinem Player drehte. Sein Solodebüt von 1989 "The Rhythm Of Life" wurde später dann in der legendären "Rock Classic"-Reihe von Long Island Records (alle als Gold-CD auf 2.000 Stk. limitiert) zusammen mit diesem FISC-Album 1995 veröffentlicht, ein Jahr zuvor erschien sein in meinen Augen coolstes zweites Album "Kids Of The Rockin' Nation". Mit Produzenten-Kollege Clif Magness, der in Sammlerkreisen mit seinem genialen Album "Solo" hohe Anerkennung genießt, verhalf er 2005 Jamie Shaw, dem englischen "Pop Idol"-Gewinner, zum ersten Album "Different". 2013 kam das Album "Wild At Heart", dass besonders durch interessante Duette und Coverversionen bestach.

Und dann bekomme ich das Album "Berlin" in die Hände und denke mir, wie konnte das denn an mir vorbeigehen? Nun, im Grunde bringt die Veröffentlichung nur für Sammler echte Neuigkeiten, denn "Berlin" ist eigentlich nur eine Erweiterung von "Wild At Heart" um einige Bonustracks, die man aber auch schon von Deluxe Editions oder Maxi-CDs kennt. Dafür blieben drei Stücke von "Wild At Heart" auf der Strecke, z.B. das interessante Stück "Different" vom oben erwähnten Jamie Shaw-Debüt. Aber mal zu den Einzeltiteln von "Berlin": da gibt es beim sehr bekannten The Knack-Cover "My Sharona" eine Neuerung. Das bekannte Stück von 1979 war schon in der "Wild At Heart"-Version mit teilweisem Vocoder-Einsatz aufgehübscht worden, jetzt bringt er Tony Corleone mit an den Start, der mit seinen Rap-Einlagen und dem deutlich druckvolleren Popsound nochmal frischen Wind in den angestaubten Song bläst. Dadurch ist es ein ähnlich mutiger Crossover-Versuch wie z.B. Within Temptation ft. Rapper Xzibit bei "And We Run". Ich finde es ungewöhnlich, aber es gefällt mir.

Bei "Live Your Dream" passiert in den ersten 40 Sekunden schon so viel, dass ich von einer Assoziation in die nächste stolpere. Erst denke ich, ah, feine Piano-Ballade, nach 8 Sekunden fühle ich mich wegen der knackigen Gitarre und der Strophe in einen Bryan Adams-Song versetzt, und dann kommt der Stand Tom-Break von "It´s My Life" und der Refrain ist ein exakter Klon des Bon Jovi-Hits! So frech geklaut, dass es mir ein Schmunzeln ins Gesicht zaubert. Aber funktioniert immer noch. Beim folgenden "Love Somebody", einem Cover aus den 80ern von Rick Springfield (den er sich da mit ins Studio geholt hat) lässt die Power des Originals sich leider in dieser Single Version wegen einiger elektronischer Spielereien etwas vermissen. Da hatte ich mehr erwartet! Und wieder wird munter abgekupfert, der "Back In Black"-Riff von AC/DC wird bei "Born To Run" ausgepackt, der Refrain bügelt es aber glatter als die Australier es je geplant hatten. Trotzdem ein ganz netter Track. "Love Don't Live Here Anymore" ist mein Highlight, sicher kein komplexes Werk, aber eine total eingängige Poprock-Nummer mit hymnischer Qualität, das Ding können die Fans binnen Sekunden auswendig mitsingen.

"Superhero" ist sehr elektronisch und poppig, aber auch hier ist es relativ einfach und macht gute Laune, erinnert mich ein bisserl an The Calling oder Patrick Nuo. Dann wird Robin Beck, eine der feinsten Rockstimmen im AOR Bereich, bemüht, sie darf sich im Duett mit Jimmy bei "I Wish You Here Tonight" beweisen und sie ist der Hammer, er lässt ihr genug Raum, dadurch funktioniert die Ballade hervorragend. Klasse! Eine weitere Coverversion ist "Break Free", 2004 von Alexander Klaws (ja, der erste DSDS-Gewinner!) aufgenommen und netterweise auch auf dem Debüt des vorhin erwähnten Jamie Shaw enthalten! Die ruhige Nummer ist ganz ok, aber nicht besonders. Die folgenden Stücke sind auf der CD als Bonus bezeichnet, der elektronische Disco-Stampf des Extended Club Remix By Caine von "My Sharona" ist aber entbehrlich! Genauso wie der fast auf die Hälfte gekürzte Short Club Remix By Caine, da ist das folgende Remix ohne Tony Corleone fast schon wieder eine Wohltat. Bei den besonderen Versionen von "Love Somebody" ist der Radio Dance Mix nicht so gut wie der Extended Rock Mix, wo Rick Springfield etwas mehr zur Geltung kommt und das Gesamtwerk zwar noch nicht das Original erreicht, aber deutlich mehr Spaß macht als die Single Version. Von den Bonus-Tracks ist die Acoustic Version von "Love Don't Live Here Anymore" sicher das am ehesten brauchbare, ich mag die normale Version dennoch lieber. Den Abschluss von "Berlin" bildet der Rock Mix von "Superhero", der durchaus annehmbar ist.

Zusammenfassend muss ich sagen, dass für mich als Sammler die CD Sinn macht, auch wenn man nur mit "Wild At Heart" und (wegen der Neuversion mit dem Rapper) vielleicht noch der Maxi-CD von My Sharona" auch gut auskommen kann. Jimmy Martin wird trotz vieler guter Kontakte in der Branche nie in die oberste Liga aufsteigen, aber dass er sich vom Durchschnitt abheben kann, hat er in seiner Karriere nicht zuletzt auch mit diesem Album bewiesen.